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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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229Die Mütterlichkeit ist folglich eine in der Frau ruhende Potenz, eine besondereVeranlagung, die jedoch entdeckt und entfaltet werden muss. Da die Schwestern Brömsediese Potenz eigentlich verkümmern lassen, wirken sie „herbe und nahezu schroff“. Esdrängt sich hier die Behauptung auf, dass die Absage an die Mütterlichkeit den Verlust des‚Weiblichen’ herbeiführt. Insbesondere an Johanne fällt es auf, dass sie als Frau überhauptnicht ‘weiblich’ wirkt: Sie ist „groß, hager“, hat ein „Gesicht, dessen Formen groß auseinem edlen rötlichen Holz geschnitzt schienen“ (BR. S. 32); „[…] sie, die alte Jungfrau,dieses große ergrauende Mädchen mit den ungeschickten, hageren Gliedern […]“ (BR. S.180). Das Äußere Johannes lässt somit vermuten, dass sie als Frau unglücklich ist, weil sieihrer ursprünglichen Best<strong>im</strong>mung, (mütterlich) zu lieben, nicht gerecht werden konnte:„[…] es war jung, das Gesicht, und seine Züge von des Lebens Erfüllung gleicherweisegesegnet, wie von frühem Entsagen gekräftigt. In dem Antlitz, das Conrad sah, waren dieäußeren Züge beinahe die gleichen, aber der Bildhauer, der daran gearbeitet, hatte sie einfachgelassen, fast roh. Die Seele, ja, diese Bildnerin, die dahinter stand, drückte mit diesenZügen nichts aus, als ein in sich selber unbeholfenes, großes Verlangen zu lieben, und dieunentrinnbare Schwermut verlorener Jugend und einsamen Alterns.“ (BR. S. 182)Die Schwestern wirken kennzeichnenderweise „verdrossen Sophie, schwermütig Johanne[…].“ (BR. S. 130). Die Frauen auf Brömseshof gönnen sich kein Vergnügen, Tag undNacht arbeiten sie in der Wirtschaft oder widmen sich dem sozialen Dienst: „DieStrickschule für die Dorfkinder, die Spinnstube für die jungen Mädchen, der Frauenvereinfür die Mütter […]“ (BR. S. 127) erfordern einen ständigen Einsatz ihrer Kräfte. Trotz allerdieser Beschäftigungen können die Brömse-Frauen kein Glück finden; auch wenn dankihnen der Hof eine wirtschaftliche Blüte erlebt, ändern sie ihre ‚harte’ Lebensweise nicht.Die auf Brömseshof verwirklichte ‚Weiberherrschaft’ mutet trübsinnig undbedrückend an. Die Frauen, die die bisher dem Manne vorbehaltenen Pflichten undArbeiten übernommen haben, müssen dafür auf die Selbstverwirklichung in derMutterrolle verzichten. Dass ihnen dieser Schritt zum Verhängnis wird, suggeriertaußerdem das Ende des Romans, das den Untergang des Bauernhofes ankündigt. Bedenktman, dass der Text <strong>im</strong> Jahre 1928 veröffentlicht wurde, so könnte man darin eine indirekteKritik der Autorin <strong>Ina</strong> Seidel an der gesellschaftlichen Stellung der Frau in der We<strong>im</strong>arerRepublik erblicken. Der durch den Ersten Weltkrieg beschleunigte Einsatz der Frauen inden bislang männlichen Domänen wird von Seidel allem Anschein nach als eine

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