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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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118dann werden Sie vielleicht wissen, was ich mit dem Aufwachen sagen wollte. Wert undGültigkeit wird letzten Endes nur das haben, was wir aus freier Wahl, aus eigenemEntschluss taten, nicht das, was wir, getrieben von den dunklen Kräften und Anlagen unsererNatur vollbrachten – nein, auch das so geschehene Gute nicht.“ (W. S. 236)Diese Charakterisierung Cornelies wird von Sixtus Walbrunn, einem katholischenDiplomaten und zugleich ihrem Schwager, vorgenommen: es lässt sich daraus ablesen,dass die bisherigen Handlungen Cornelies unbewusster, nicht reflektierter Art waren, dasssie sich wie eine Marionette von ihrem Instinkt leiten ließ, was insbesondere ihr„somnambule[r] Zustand“ suggeriert. Bedeutend ist dabei, dass dieser Instinkt als einebesondere Auszeichnung betrachtet werden kann: bedenkt man nur, dass die „Fädenfreilich ein Engel oder ein Heiliger in Händen hält.“ Auch wenn die Wirkung vonCornelies Taten gut war, so ist nicht zu übersehen, dass sie sich erst dann dem Ideal nähernwird, wenn sie sich die in ihr enthaltene Potenz vergegenwärtigt. Man kann folglichannehmen, dass diese Beschreibung Cornelies eine Art Appell <strong>Ina</strong> <strong>Seidels</strong> an die Frau ist:Sie muss sich über ihre Stärke klar werden, ihre mütterlichen Werte müssen bei vollemBewusstsein eingesetzt werden. Auf diese Weise wiederholt Seidel die Postulate HeleneLanges und Gertrud Bäumers, die für einen reflektierten Einsatz der typisch weiblichenAttribute plädierten. 285Was hier festgehalten werden soll, ist jener „somnambule Zustand“ der weiblichenFigur, die Tatsache, dass sie sich wie eine Nachtwandlerin verhält. Im Laufe der Handlungstreift Cornelie tatsächlich das Bild der „somnambule[n] Mädchenmutter“ (W. S. 551) abund wird zur „Bürgerin Echter“ (W. S. 551). Als Bürgerin Echter, obwohl mit„Trachtschen Allüren“ (W. S. 620), verinnerlicht sie auf gewisse Weise die Prinzipien derfranzösischen Revolution: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Auf diese Weise wirdauch ihr Bewegungsraum, früher von den Standesgrenzen etwas eingeengt, wesentlichausgeweitet. Auch ihre Bindung an den Arzt Buzzini, der als ein Scharlatan in der MainzerGesellschaft gilt, und vor allem ihre Entscheidung, den Arzt zum Vormund ihrer Kinder zumachen, bedeutet einen offenen Bruch mit den gesellschaftlichen Regeln, durch dieCornelies Mütterlichkeit in ihrer Wirkung eingeengt wurde.Die Erweiterung des Handlungsraums wird auch durch die Wohltätigkeitsarbeit derProtagonistin vollzogen: dank ihrer mütterlichen Veranlagung vermag sie sich in die Lageder Armen und Unglücklichen hineinzuversetzen, das Unglück des einfachen Volkes285 Vgl. das Kapitel zu H. Lange und G. Bäumer.

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