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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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188und Geist lesen. Dass Mathildes Zerrissenheit eben diesen Charakter hat, bringt wiederumRoubroucq zum Ausdruck, indem er sagt: „Der Weg zu mir führt niemals durch das Blut –Der Weg zu mir führt <strong>im</strong>mer durch den Traum…“ (S. S. 202). Es ist hier festzuhalten, dassdiese Worte eine doppelte Bedeutung haben mögen, denn Roubroucq kann in diesemKontext sowohl den Weg zu ihm als Mann meinen 373 , als auch den Weg zu ihm alsKünstler. Die Faszination für Roubroucq, die Mathilde anfänglich ebenfalls für Liebe hält,stellt sich auch als St<strong>im</strong>me ihres Blutes heraus. Diese Diskrepanz zwischen Seele und Geisterblickt Roubroucq: weil ihm Mathilde nicht seelisch ergeben ist, stößt er sie von sich weg:„Wie hatte er dies fühlen können, diese entsetzliche Ferne der Seele von dem Feste desBlutes, dies gelassene Schweben über strudelndem, kochendem Meere? Warum fühlte sieselbst es jetzt wie einen Betrug, daß tief in ihr eine Stille blieb, in die nichts eingedrungenwar von dem Taumel dieser Hingabe, an dem doch ihre Lippen, ihre Hände, ihr ganzerglühender, zitternder Körper beteiligt gewesen war?“ (C. S. 212)Es ist vielsagend, dass Mathilde in der Liebe zu einem Mann nicht die Erfüllung findenkann, weil ihr Gefühl keine harmonische Verbindung von Körper und Geist herstellt –diese innere Spaltung kann nur durch die Kunst aufgehoben werden:„Was ist nur, dachte sie verzweifelt, daß ich nicht lieben kann, daß meine Seele hierherstrebt, mein Körper dorthin fällt, als seien sie nicht mehr vereinigt? Vorübergleitend dachtesie an Stunden der Arbeit, an die Verzückung in das Werk, die einzig vermochte, dieseZweiteilung aufzuheben – ja, diese Verzückung und jener Zustand, den Roubroucq Traumgenannt hatte…“ (C. S. 213)Dass es eben die Kunst ist, begriffen als das Gelübde an den Geist, die die innere Spaltungder Protagonistin aufheben kann, bestätigt der weitere Verlauf des Romans: MathildesHinwendung zur Kunst bedeutet den Verzicht auf den Mann und die Wahl eines Lebens‚<strong>im</strong> Geiste’.373 Der zitierte Satz spielt deshalb eine besondere Rolle, weil er ein Zitat aus einem von Roubroucqverfassten dramatischen Stück ist, das <strong>im</strong> Roman inszeniert wurde. Dieses Stück stellt die Tragödie zweierunglücklich Liebenden dar, die sich erst nach dem Tode vereinigen können. Roubroucqs ursprünglicheIntention war es, Mathilde die weibliche Rolle spielen zu lassen, er selbst sollte den unglücklichen Liebhaberdarstellen. Da die Rolle der Liebhaberin eine andere Frau übernahm, ließ Roubroucq den zitierten Satz ausdem Stück streichen. Er erklärt Mathilde seine Absicht, als sie sich in Einsamkeit treffen. Roubroucq erfährt,dass Mathilde sein Gefühl zu ihr erwidert. Mathilde sagt nämlich: „Und wenn ich es um Ihretwillengebrochen hätte, dieses Gelübde, Roubroucq – würden Sie mich dann auch anklagen?“ (S. S. 202)Roubroucq wirft sich vor ihr nieder, worauf sich aber Mathilde von ihm entfernt.

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