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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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204Reichtums sagt, n<strong>im</strong>mt Andrea diese Nachricht überraschenderweise mit Gelassenheit auf:sie stellt fest, dass sie „diese Lehre wohl nötig gehabt“ (V. S. 238) habe.Dieser Zusammenfassung kann man entnehmen, dass die Tänzerin Andrea vieleGemeinsamkeiten mit dem Bild der ‘Neuen Frau‘ aufweist: sie lebt alleine in einerGroßstadt (Berlin), bestreitet auch selbständig ihren Unterhalt. Ihre Selbständigkeit ziehtsie dabei dem familiären Leben vor:„Er erfuhr in dieser Nacht, daß sie sich von ihrer Familie getrennt hatte, um sich der Bühnezu widmen, daß sie aber einstweilen hauptsächlich ihrer allgemeinen Bildung lebte,Vorlesungen hörte und viel unter Menschen ginge. Sie war […] <strong>im</strong> Elsaß zu Hause; ihreMutter stammte aus Frankreich.“ 393 (V. S. 181)Der Bruch mit der Familie steht hier symbolisch für den Bruch mit der traditionellenLebensweise einer Frau: ähnlich der ‚Neuen Frau’ will Andrea die Chancen wahrnehmen,die das Großstadtleben bietet. Bildung und Erwerbstätigkeit haben Vorrang vor derErfüllung in der Rolle der Ehefrau und Mutter; sie betrachtet ihre Arbeit mit „sachlicherBesessenheit“ (V. S. 182), was Richard besonders gefällt, weil auch für ihn seine Arbeitdas wichtigste Ziel <strong>im</strong> Leben ist. Andrea ist das Beispiel für ein neues, modernesweibliches Selbstbewusstsein – sie will aktiv und souverän ihr Leben jenseits vonkonventionellen weiblichen Rollen gestalten:„Ich will eine Künstlerin werden, und ich will eine sehr große Künstlerin werden – aberweißt du nicht, daß, wenn ich ein Vorbild hätte, nur – einzig nur sie es sein könnte, die armund elend dort drüben gestorben ist… Sie – und ihr großes hartes Leben… Hast du gedacht,ich will mich einmal in einer Grunewaldvilla niederlassen und ein gepolstertesProminentenleben führen? Mein eigenes Theater will ich gründen, wenn ich erst selbersoweit bin […]“ (V. S. 226)Dank ihrer beruflichen Tätigkeit kann die Protagonistin die Unabhängigkeit, die sieunbedingt bewahren will, genießen:„Ein richtiger Instinkt hatte ihn [Richard] davon abgehalten, sie zu bitten, seine Frau zuwerden: er ahnte die ganze Tiefe ihres Widerstrebens gegen jeden Schritt, der auch nur zu393 Ähnlich wie Renée aus der Erzählung Renée und Rainer hat Andrea eine französische Mutter und stammtaus Elsaß.

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