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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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82Dem Abschnitt lässt sich entnehmen, dass das Muttersein ein körperliches Bedürfnis ist,das zugleich etwas Triebhaftes und Perverses in sich hat. In Brigittes Einstellung zu ihremKind kommt ein beinahe masochistisch anmutender Zug zum Vorschein, der der ganzenMutter-Sohn-Beziehung eine erotische Färbung verleiht. Suggeriert wird die sinnlicheSchattierung dieses Verhältnisses auch seitens des Sohnes:„Wie Mutter küssen konnte, daß man es durch den ganzen Körper spürte, wenn sie einennoch dazu mit ihren warmen festen Händen liebkoste. Ein leichter Schauder lief ihm [Aage,dem Sohn Brigittes – N. N.] über den Rücken.“ (H. S. 95)Man könnte folglich die These aufstellen, dass es sich hier um eine erotische Auffassungdes Mutterseins handelt: auf die Nähe zwischen der Mutterschaft und Erotik verweist <strong>Ina</strong>Seidel in einem ihrer Aphorismen: „Der Kuss hat sich aus dem Saugen an der Mutterbrustentwickelt, dieser ersten innigen Zärtlichkeitsbezeugung.“ 230Dabei ist nicht zu übersehen, dass die sinnlichen Aspekte nicht nur in der Mutter-Sohn-Beziehung sichtbar werden, sondern auch in der Gestalt der Mutter selbst akzentuiertwerden. So erinnert sich Mathilde, Brigittes Freundin, an sie als an eine Frau mit „diesemBlick unersättlicher, fast tierhafter Mutterliebe in den großen Augen, mit jenem Ausdruckunbedingter Gebundenheit an die Kräfte ihrer Weiblichkeit.“ (H. S. 88)Das Erotische als wichtiger Bestandteil des Mütterlichen lässt an das Bachofensche Bildder Großen Erotischen Mutter denken – mit dieser Anspielung wird dem Aspekt derFruchtbarkeit eine besondere Bedeutung beigemessen, die <strong>im</strong> Falle Brigittes zu einerursprünglichen Kraft wird, die sich des weiblichen Körpers bemächtigt:„[…] sieben Jahre hatte sie nicht geblüht, nicht Frucht getragen, nicht genährt. Ihr Körperwollte diese Befriedigung und keine andere, wollte überschäumen, abgeben von seinemwarmen, roten Blut, in dem die Seele selber lebte, diese dumpfe, erdgebundene Seele, diedoch gut sein wollte, nur gut, und nun verängstet und gehetzt war. Es war alles recht undschön […] und dennoch, dennoch…” (H. S. 78f.)Die Unfruchtbarkeit Brigittes scheint sie auf gewisse Weise sich selbst zu entfremden -weil sie nicht schwanger werden kann, wird die ursprüngliche Einheit zwischen ihr und der230 Christian Ferber (Hrsg.): <strong>Ina</strong> Seidel. (wie Anm. 53), S. 55.

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