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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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185bleibt. Der Begriff der Treue wird dabei zu einem Schlüsselwort in Bezug auf dieProtagonistin:„Denn diese Treue war ebensogut ein Fanatismus der Strenge gegen das eigene Gefühl, eineüberweibliche Ekstase, ein Rausch der Selbstgeißelung, als sie weiblichsteHoffnungsseligkeit, mütterliches Verantwortungsgefühl für den geliebten Mann war, als siezuzeiten Wiegenlied, Verheißung eines endlich den unerbittlichen Forderungen des Geistesabgewandten, ganz <strong>im</strong> Schoß der Erde gemündeten, frauenhaften Daseins sein konnte. […]Die wunderschöne Jünglingsgestalt des Geliebten war zum Symbol geworden, und die Treuehatte dem eigenen, ungestüm nach Größe verlangenden Ich gegolten.“ (C. S. 141)Dem Zitat kann man entnehmen, dass Mathildes Treue einen doppelten Charakter hat,wodurch darauf hingewiesen wird, dass sich das weibliche Dasein auf zweifache Weiseverwirklichen kann. Auf der einen Seite wird die Treue der Protagonistin als die Loyalitätdem Geliebten gegenüber verstanden, auf der anderen Seite ist sie die Verpflichtunggegenüber dem eigenen Ich. Als das Pflichtgefühl dem Mann gegenüber ist diese Treue vorallem die Verheißung eines „frauenhaften Daseins“, das freilich dem Geist abgewandt underdenbedingt ist: Das Einhalten des Treueversprechens an den Mann bedeutet MathildesAkzeptanz der Rolle der Ehefrau. Vor allem ist jedoch das Pflichtgefühl als dieBereitschaft zu verstehen, Mutter zu werden, was der Vergleich mit dem „Schoß der Erde“nahe legt.Als Verpflichtung an die künstlerische Berufung n<strong>im</strong>mt dagegen die Treue derProtagonistin die Gestalt einer rein geistigen Verpflichtung an: es ist das Versprechen, demeigenen Geist treu zu bleiben. Dabei ist nicht zu übersehen, dass diese zwei D<strong>im</strong>ensionendes Treueversprechens auf eine innere Spaltung der weiblichen Figur verweisen, zwischendem erdenbedingten Schicksal und einem ‘vergeistigten’ Dasein scheint es für Mathildekeine Brücke zu geben.Aus dem Zitat ergibt sich, dass Mathildes Pflichtgefühl dem Verlobten gegenüberin der Treue an den Geist und das eigene Ich allmählich aufgeht – der abwesende Verlobteverliert <strong>im</strong> Laufe der Zeit <strong>im</strong>mer mehr an konkreter Gestalt, er wird zu einem <strong>im</strong>aginiertenGeliebten. Solchem Geliebten die Treue zu halten heißt wiederum, eine Art Schutzwandum sich zu bauen, dank dem das wirkliche Leben erst möglich wird:

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