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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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139Romanowna muss nämlich am Ende eine doppelte Niederlage verzeichnen: als Heldin undals Mutter. Zwar wird das von ihr angestrebte Ziel erreicht – die Großfürstin wird zur ZarinRusslands – doch findet Daschkoffs Heldentum keine Anerkennung in der Öffentlichkeit,weil sie von der neuen Zarin schmählich verraten wird. Als Mutter scheitert Katharina,indem sie ihr Kind verliert.Dass Katharinas Einstellung zu ihrer Mutterrolle nicht die richtige ist, suggeriert dieSchilderung des nächtlichen Rittes der Fürstin, der, wie bereits gesagt, den Höhepunkt derHandlung bildet: „hoch <strong>im</strong> Zenit, stand die scharfe Sichel des wachsenden Mondes:Symbol der mütterlichen Majestät.“ (F. S. 114) Der Mond als Sinnbild der Mütterlichkeitspielt in diesem Kontext auch deswegen eine besondere Rolle, weil er bei Bachofen als dasSymbol des mütterrechtlichen Zeitalters auftritt. 317 Diese Anspielung auf Bachofen scheintfolglich die Bedeutung des Mondes in dieser Episode noch zu intensivieren – man könntesogar die Feststellung riskieren, dass der Mond Katharina auf gewisse Weise mahnen, siean ihre mütterliche Pflicht erinnern soll.Darüber hinaus wird der nächtliche Ritt Katharinas zu einem beinahe mystischanmutenden Erlebnis, in welchem die Mütterlichkeit eine zentrale Rolle spielt:„Sie fühlte nicht sich selbst, - dies Selbst, das der grüne Reiterknabe aus dem Spiegel voreiner Stunde herrisch an sich gerissen und sich dienstbar gemacht hatte. Zuweilen, taumelndvon einer Empfindung […], dachte etwas außer ihr, über ihr: Nicht ich, - nicht ich… MeinKnabe, mein Sohn… Und außer ihr, über ihr wiegte eine Mutter den Sohn, gab sich demSohn: Fleisch, Seele, Blut und Schoß und Hirn. Und ihr Knabe schrie aus ihr. Sie, der Reiter,der er werden sollte, der Held…“ (F. S. 114)In dieser visionären Beschreibung von Katharinas Zustand werden zwei Mutterbildermiteinander konfrontiert: zum einen sieht man sie als eine aufopferungsvolle, sich demSohn gebende Mutter, zum anderen als solche, die ihren Sohn verlassen und das eigene Ichins Zentrum gestellt hat. Diese Vision lässt sich ebenfalls als eine Art Mahnung anKatharina lesen, die nicht an sich, sondern an ihren Sohn denken sollte, was vorzugsweisedie Formulierung „nicht ich, - nicht ich…“ suggeriert. Katharina wählt indes nicht den hiernahe gelegten altruistischen Weg, sondern einen selbstbezogenen. Eine andere Textstellegibt zu bedenken, dass Daschkoffs Drang nach Heldentaten auch äußerst egozentrischeGründe haben könnte: Als Daschkoff mit einem der um die Großfürstin versammelten317 Vgl. das Kapitel zu Bachofen.

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