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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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47Diese Gegenüberstellung der elementaren Naturkräfte entsprach der Gegenüberstellung desweiblichen und männlichen Prinzips, wobei das Prinzip Mann eine deutlich untergeordneteRolle spielte. So hatte in der Familie die Schwester den Vorrang vor dem Bruder, so wiedas Schwesterverhältnis überhaupt dem Bruderverhältnis voranging. Ebenfalls entschieddie direkte Bindung des Kindes an den Mutter- und nicht den Vaterstamm überErbschaftsfolge. Eine besondere Rolle spielte dabei die jüngste Geburt: die jeweilige Erbin(und nicht der Erbe, weil das Sukzessionsverhältnis, wie gesagt, lediglich zwischen Mutterund Tochter bestand) war nicht das älteste, sondern das kleinste Kind. Dies geschahaufgrund der logischen Überlegung, dass der jüngste Nachkomme <strong>im</strong> Unterschied zu demältesten länger leben wird.Die Bevorzugung der Erde und der chthonischen Mächte vor den anderenNaturgewalten hing, wie bereits gesagt, mit der engen Beziehung dieser Periode zur Natur,aber auch überhaupt zu allem Stofflichen zusammen: Um mit Bachofen zu sprechen:„das gynaikokratische Dasein ist der geordnete Naturalismus, sein Denkgesetz dasStoffliche, seine Entwicklung eine überwiegend physische […].“ (B. S. XVIII)Neben dem Stofflichen zählt Bachofen auch die Religion zu einer wichtigen Grundlage desmutterrechtlichen Systems. Dieses Zeitalter war nämlich, um wieder Bachofen zu zitieren,„durch und durch vom Glauben beherrscht“ (B. S. XIII). Die Religion gehörte wiederumzum Wirkungsbereich der Mutter: denn die irdische Mutter habe laut Bachofen ihr Vorbildin der göttlichen Urmutter Demeter, ihr habe sie als ihre Priesterin zu dienen. Die Mutterals Hierophantin, d. h. als die Oberpriesterin und Lehrerin der heiligen Bräuche 145 , wurdedadurch zur Stellvertreterin der Göttin Demeter auf Erden erhoben. Das Hervortretenpriesterlicher Frauen ist deswegen charakteristisch für die Zeit der Gynaikokratie. DieDominanz der Priesterinnen <strong>im</strong> gesellschaftlichen Leben bedeutet keineswegs dieRückwendung zu einer zeremoniell-rituellen Glaubenshaltung: denn die Grundlage derGynaikokratie ist eine Religion, die auf die „Pflege und Entwicklung des Mysteriösen,Jenseitigen, Übersinnlichen“ (B. S. XVI) gerichtet ist. Diese besondere Stellung der Frauenals Vermittlerinnen zwischen dem Göttlichen und dem Irdischen hängt auch damitzusammen, dass laut Bachofen die Gynaikokratie in dem Glauben wurzelt, dass „an der145 Vgl. die Bedeutung des Wortes „Hierophant“ in: Duden - Deutsches Universalwörterbuch. Hrsg. undbearb. vom Wissenschaftlichen Rat und den Mitarbeiten der Dudenredaktion. Mannhe<strong>im</strong>, Leipzig, Wien,Zürich 1996. S. 706.

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