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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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237Den fast dreißig Jahre älteren Mann begleitet die Protagonistin auf seinenForschungsreisen, sie steht ihm zur Seite während seiner schweren Krankheit und auch <strong>im</strong>Moment des Todes (Perez stirbt <strong>im</strong> Jahre 1933, Michaela ist damals 40 Jahre alt). DerMann ist für sie Lehrer und Meister; um seine Gehilfin zu werden, hat die Protagonistinauf das Studium verzichtet, obwohl sie das Abitur mit sehr gutem Ergebnis bestand.Nach dem Tod ihres Mannes erleidet sie einen Zusammenbruch und sieht sichverlassen und auf sich selbst angewiesen, zumal ihre Eltern und die nächsten Angehörigenebenfalls tot sind. Dank einer Erbschaft ist jedoch ihre Existenz gesichert, und dieProtagonistin kann sich sogar karitativen und mäzenatischen Tätigkeiten widmen.Merleberg, ihren Landsitz in der Schweiz, in der Nähe zur deutschen Grenze, verwandeltsie bald in eine Zufluchtsstätte für Flüchtlinge aus Deutschland. Das Gartenhaus inMerleberg macht sie zu einem Sammelplatz für weibliche Genies: In der „Volière“ 440 (M.S. 294) finden weibliche Gelehrte und Künstler Zuflucht.Michaela heiratet nach dem Tod ihres Mannes nicht zum zweiten Mal,interessanterweise geht sie jedoch ein Verhältnis zu einem verheirateten Mann ein. DieseLiebschaft bringt jedoch keinen Umbruch <strong>im</strong> Leben der Protagonistin; nach dem Tod ihresLiebhabers lässt sich Michaela auf keine abermalige Beziehung ein. Nach dem Kriegwidmet sie sich gänzlich der karitativen Arbeit: in Merleberg will sie eine Schule fürverwaiste Kinder gründen.An der Gestalt der Protagonistin fällt auf, dass sie kinderlos bleibt, obwohl sie eineEhe eingegangen ist. Auch nach dem Tod ihres Mannes entscheidet sie sich nicht, eineneue Familie zu gründen und zur Mutter zu werden. Sie wird zur Einzelgängerin, diekonsequent der Mutterrolle fern bleibt. Eine explizite Erklärung für ihre Kinderlosigkeitliefert Michaela selbst, indem sie zu Ende des Romans betont, dass sie nie ein persönlichesVerhältnis zu Kindern habe aufbauen können, dass sie sich Kindern gegenüber <strong>im</strong>mer„gehemmt“, „fast schüchtern“ (M. S. 928) gefühlt habe. Michaelas Ablehnung derMutterrolle scheint folglich aus ihrem Charakter zu resultieren, in welchem sich keinmütterlicher Zug verzeichnen lässt.Die fehlende Mütterlichkeit der Protagonistin ist auch eine Folge ‚Erdentrücktheit’:sowohl <strong>im</strong> wortwörtlichen als auch <strong>im</strong> übertragenen Sinne zeigt Michaela keineZugehörigkeit zu der mütterlichen Erde, vielmehr scheint sie sich ihr zu entziehen. Sie440 Weil die dort wohnenden Frauen „einer Sammlung seltsamer Vögel“ (M. S. 294) ähnlich sind, wird dasGartenhaus „Volière“ genannt. Entscheidend ist, dass nur geistig schaffende und allein stehende Frauen dasGartenhaus bewohnen.

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