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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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218Obwohl sich hier die Klavierspielerin gegen die Gleichsetzung der Frau mit der Natur 414wendet, zeigt sie sich doch nicht stark genug, um etwas gegen den Willen des Vaters zutun. Die Herrschaft des Vaters scheint sich sogar über die Grenze des Todes zu erstrecken;denn Merula ist es, die als erste den Leichnam ihres Vaters entdeckt. Diese These mag dasfolgende Zitat verdeutlichen:„Plötzlich hatte er [Rasmus – N. N.] etwas wie die Vision einer alten, hohen undschwarzgekleideten Frau und, dieser Erscheinung folgend, die eines großen, hageren,vornübergebeugten Mannes, die beide vor Merula hergingen, denen sie folgte, wie sie daneben ihm ging, das Antlitz erhoben, Leidensübersättigung <strong>im</strong> blinden Blick…“ (Z. S. 173)Die beiden hier beschriebenen Gestalten, denen Merula folgt, sind ihre Großmutterväterlicherseits und ihr verstorbener Vater. Die Hauptfigur ist ihnen völlig ausgeliefert,lediglich ihr Körper scheint sich aufzulehnen – sie drückt ihren Protest durch dieKörperhaltung und den Gesichtsausdruck und nicht zuletzt durch den „blinden Blick“ aus,mit welchem sie sich der Realität scheinbar verweigert. Sie vermag es freilich nicht, diesenstummen Protest in die Tat umzusetzen und sich von dem Einfluss ihres Vaters zubefreien.Ihr Verhältnis zum Vater steht <strong>im</strong> krassen Gegensatz zu dem Vater-Sohn-Verhältnis. Denn Andreas Orley betrachtet seinen Sohn Manuel wie einen Feind – nichtzuletzt deswegen, weil er seiner Mutter äußerlich so ähnelt, aber auch deswegen, weil ergleich seiner Mutter musikalisch talentiert ist. Merula übern<strong>im</strong>mt die Funktion derMittlerin zwischen dem Vater und dem Sohn, sie versucht <strong>im</strong>mer, ihnen jeglicheUnannehmlichkeiten zu ersparen und entstehende Spannungen zu schlichten. Es istmarkant, dass solche Spannungen nicht zwischen Merula und ihrem Vater und ebenfallsnicht zwischen ihr und ihrem Bruder zu verzeichnen sind:„Da es zwischen Manno und mir wiederum ähnlich war und ich auch mit ihm in völligausgewogenem Gleichgewicht lebte, so konnte es nicht anders sein, als daß die Spannung,414 Mit den „blühenden und singenden“ Frauen scheint hier <strong>Ina</strong> Seidel auf solche Gestalten wie Delphine oderihre Mutter Charlotte aus dem Wunschkind anzuspielen, die den Gegensatz der guten Mutter darstellen. DenFrauen, die „Blumen und Vögeln“ gleichen, fehlt meistens der Mutterinstinkt, deswegen werden sie von derAutorin negativ bewertet.

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