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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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131sich der Vergangenheit und somit der Wahrheit zu stellen. Es ist, als ob auf Cordula eineLast läge, die ihr eine Konfrontation mit der Realität unmöglich macht. 303Dieses Bild der Mutter steht <strong>im</strong> Gegensatz zu der Vorstellung, die sich Conrad vonihr macht. In seinen Träumen sieht Conrad seine Mutter auf dem Hof, inmitten desGeflügels, über die Felder gehend, die Mägde dirigierend, <strong>im</strong> Garten und in der Küche, <strong>im</strong>Wohnz<strong>im</strong>mer oder auf der Veranda:„Er erlebte es, daß kein Stück der Brömseflur vor ihm auftauchen konnte, ohne daß dieGestalt der Mutter darin erstand […] Er wußte, kein Bild würde vergehen, ehe nicht dieMutter hindurchgegangen war […]. Zuweilen stand sie still, prüfte den Gehalt einer Ähre,legte ihre Hand an einen Stamm, folgte dem Zug der Wolken mit dem Blick. Oft sah er sieso, den Blick ins Weite gerichtet, still, grau, mächtig, - mächtiger wohl, als sie jemalsgewesen war. Aber wie er sie sah, war sie auch mehr als Cordula Siere. Wie er sie da sah,war sie die Tochter des alten Bauerngeschlechtes, das diesen Boden seit Jahrhundertenbebaute, und eins mit ihm war in Leben und Modern. Die mütterliche Gewalt der Schollenahm ihre Gestalt an, um sich ihm zu offenbaren, ihn zu gemahnen, ihn he<strong>im</strong>zulocken…Was er sah, war Mythos, - sein Mythos, aber das war ihm klar.“ (BR. S. 86f)Der Traum Conrads zeigt die Mutter als eine mächtige Frau, die ihre Kraft aus der Erde,der Natur selbst, schöpft. Indem sie als eine durch die Felder wandernde Gestalt dargestelltwird, die sich über einer Ähre beugt, wird ihre Ähnlichkeit zu Demeter sichtbar, dergriechischen Göttin, die für die Fruchtbarkeit der Erde, des Getreides und der Saatverantwortlich war. Indem die Mutter als eine Macht <strong>im</strong>aginiert wird, die mit dem Boden„eins“ ist „in Leben und Modern“, wird auch ihre Nähe zu der Großen Mutter suggeriert,der Bachofenschen Herrscherin, die den Tod zu einer notwendigen Bedingung des Lebensmachte. 304Die göttliche Überhöhung der Mutter erfolgt auch in einer anderen Phantasie desSohnes: „Er [Conrad] dachte an sie [die Mutter], wie er früher gebetet hatte. […] Es kamenBilder statt [des Gebets], und <strong>im</strong>mer war es die Mutter.“ (BR. S. 83f.) Man hat denEindruck, als ob der Sohn zu der Mutter beten würde 305 , in seinen Vorstellungen räumt erihr eine besondere Stellung ein: „Ruhe allein, Lösung aller Qual, He<strong>im</strong>kehr <strong>im</strong> geistigen303 Diese Last könnte die in der Vergangenheit liegende Sünde sein: die Geburt eines unehelichen Kindes,aber auch die unmittelbare Folge dieser Sünde: das Beharren Cordulas auf der Lüge.304 Vgl. das Kapitel zu Bachofen.305 Man kann hier auch eine Ähnlichkeit dieser Textstelle mit einem Kindheitserlebnis <strong>Ina</strong> <strong>Seidels</strong> bemerken:als Kind glaubte nämlich die Dichterin, dass Gott eine Frau sei. Siehe mehr dazu <strong>im</strong> Kapitel Leben und Werk:Kindheit in Braunschweig.

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