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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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90Das Muttersein wird offenbar zum eigentlichen Ziel der weiblichen Existenzerhoben. Es ist ebenfalls wichtiger als das Gefühl für einen Mann: da Muriel mit ihremMann Paladin keine Kinder haben konnte, ließ sie sich von ihm trennen: „ich [Paladin]hätte sie der Erde entfremdet… Wir hatten kein Kind…“ (R. S. 83) Die Kinderlosigkeitwürde also die Bindung Muriels an die Erde zerstören, der hier anscheinend eineidentitätsstiftende Funktion zukommt: die Absage an die mütterliche Erde würde eineEntwurzelung der weiblichen Identität herbeiführen. Die Verwurzelung Muriels in derErde betont auch Renée, die behauptet, sie könne zu Muriel wie zur Erde selber reden, dieden Tod nicht kenne, nur den beständigen Wandel des Lebens. 239Muriels Element ist jedoch nicht nur die Erde. Ihr Vorname, der keltischer Herkunftist, bedeutet nämlich so viel wie „glänzendes Meer“. 240 Auch Muriels Mädchenname istvoller Bedeutung: nach ihrem Vater heißt sie „Allmers“ (M. S. 462). Darüber hinausbenutzt Muriel selbst die Formulierung das „mütterliche Allmeer“ (R. S. 150), als sieRenée zu erklären versucht, warum sie Rainer von sich fortschickte:„Und von Rainer fordere ich, daß er einsieht, eine Mutter kann nicht Ausgang und Mündungzugleich sein! Oder doch nur ganz <strong>im</strong> Sinne des großen kosmischen Kreislaufs, - wie weitmuß sich der Strom von seiner Quelle entfernen, um wirklich Strom zu werden! Wie muß erden Lauf sich erkämpfen, wie muß er verschmelzen mit seinesgleichen, ehe er eingehen darfins mütterliche Allmeer, das auch seinen Ursprung gespeist hat…“ (R. S. 150)Muriels Mütterlichkeit hat also folglich einen doppelten Boden. Dieser Dualismus zeigtsich auch in jener Gegenüberstellung der Erde und des Meeres, die in den meisten Mythenals lebensspendend und lebenszerstörend begriffen werden. Die Ambivalenz derweiblichen Kraft, die entweder kreativ oder zerstörerisch sein kann, wird von Muriels SohnRainer bestätigt:„Muriel ist aber nie nur Mutter, nur Frau, nur Geliebte oder Schwester. Sie ist einmenschlicher Kosmos, von ausgeglichenen Spannungen bebend: wen sie in ihre Kreiseeinbezieht, lebt in einem Kraftstrom, der ihn unversehens über sich selbst hinausträgt. Und239 Vgl. <strong>Ina</strong> Seidel: Michaela. Aufzeichnungen des Jürgen Brook. Stuttgart 1959. S. 141. Bei Zitaten aus demRoman wird <strong>im</strong> laufenden Text die Seitennummer mit der Sigle M in Klammern angegeben.240Vgl.: Teresa Norman: A world of baby names. S. 172. (o. O.) 2003. Datum des Zugriffs: 01.05.2008.

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