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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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187„Und Sie, Kind“, sagte er [Roubroucq] […], „Sie wollten aus dem Traum ins Bluthinuntersteigen? Ach, da es nur Ihre Fußspitze benetzt, schaudern Sie zurück. So sehr, soganz mit Leib und Seele sind Sie Ihrem Gelübde verfallen.“„Meinem Gelübde?“ fragte Mathilde staunend.„Wissen Sie nicht, daß es unausgesprochene Gelübde gibt, auf die der Geist uns irgendwanneinmal verpflichtet hat? Wissen Sie nicht, daß das die einzigen Gelübde sind, die zu brechenTodsünde ist?“ (C. S. 202)Aus dem angeführten Zitat geht hervor, dass Mathilde durch ihr Einhalten desVersprechens mehr <strong>im</strong> Reich des Traumes als in der Realität behe<strong>im</strong>atet war, dass sie sichvon der Realität abkapselte, was ihr freilich ermöglichte, einen ‘vergeistigten’ Zustand zuerreichen. Das Heraustreten aus diesem Zustand bedeutet die Absage an den Geist und dieBejahung des Fleischlichen – dieser Schritt wäre der Todsünde gleich. Ganz <strong>im</strong>christlichen Sinne manifestiert sich hier <strong>Ina</strong> <strong>Seidels</strong> Überzeugung von dem Verfallenseindes Menschen an den Körper 372 , der ihn seiner geistigen Freiheit beraube. Eine Bestätigungdafür findet man in dem folgenden Zitat:„Wendelin sagt: Der Fluch des Gelübdes, Mathilde, und sieht hier keine Tragik. Ich[Roubroucq] sehen Sie, sage: Der Fluch des Blutes – wenn ich es denn schon einmalentsprechend hintertreppenmäßig ausdrücken soll – und hier ist Tragik. Denn ein Gelübde,noch dazu ein widernatürliches, ist nichts Unabänderliches – unabänderlich aber ist dieNötigung des Blutes, die uns gegen unseren Willen mit sich reißt. Tragisch ist nur unserErliegen unter der dumpfen Naturgewalt. Wir sind verflucht durch das Blut – aber niemalsdurch den Geist!“ (C. S. 201)Die Gegenüberstellung des Blutes, das den Menschen gefangen hält, mit dem Geist, dankwelchem die Befreiung möglich ist, wird hier deutlich zum Ausdruck gebracht. DieLoslösung von dem Fluch des Körpers kann durch die Hinwendung zum Geist erfolgen:dieser Prozess der inneren Befreiung erfolgt eben am Beispiel von Mathilde.Diese Auslegung wird durch das Schwanken Mathildes zwischen ihrem VerlobtenWendelin und dem Dichter Roubroucq nahegelegt: Ihre Zerrissenheit zwischen Wendelinund Roubroucq deutet nicht so sehr die Notwendigkeit einer Wahl zwischen zwei Männernan, sondern lässt sich als der Ausdruck ihrer unbewussten Gespaltenheit zwischen Körper372 Ein verwandter Gedanke findet sich <strong>im</strong> Wunschkind: es sei hier nur an die Episode erinnert, in welcherCornelie ihren Vater in einem ihrer Träume nackt sieht. Vgl. dazu das Kapitel zu Cornelie von Echter.

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