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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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225„kuttenähnliche“ Kleidung, die an das Gewand eines Mönchs denken lässt, sowie derVergleich mit einem „Engel“ bringen wiederum Merulas Enthaltsamkeit dem Sexuellengegenüber zum Ausdruck: die Protagonistin führe eine ‚vergeistigte’ Existenz, was bereitsangedeutet wurde. 422Wenn Merula jedoch in die männliche Sphäre einzutreten versucht, wird dies von demmännlichen Erzähler als eine Störung der existierenden Ordnung dargestellt:„Das Z<strong>im</strong>mer, in das sie ihn führte, berührte den Doktor zugleich angenehm undbefremdlich; es erschien ihm erstaunlich, daß dieser enthaltsam ausgestattete Raum mit demStutzflügel, dem großen Schreibtisch, den vielen Büchern und dem H<strong>im</strong>melsglobus dasGemach einer Frau sein sollte, aber sein Geschmack, seine Witterung für geistigeAtmosphäre war ungemein wohltätig berührt.“ (Z. S. 40)Auch wenn Rasmus es nicht ausschließt, dass sich eine Frau dem geistigen Leben widmenkönnte, so ist <strong>im</strong>merhin nicht zu übersehen, dass seine Reaktion von einervoreingenommenen Haltung zeugt: das Z<strong>im</strong>mer einer Frau müsste seiner Vorstellung nachdoch anders aussehen, Weiblichkeit und Intellektualität sind für den Mann getrennteBereiche.Aufgrund der gemachten Beobachtungen kann man annehmen, dass am Beispielder Klavierspielerin Merula <strong>Ina</strong> Seidel ihr Urteil über die Situation der Frau in derGesellschaft ausdrückt. Die Gestalt der Klavierspielerin, die sowohl <strong>im</strong> Privaten als auch inder Kunst 423 <strong>im</strong> Schatten des Mannes steht, versinnbildlicht die Ausweglosigkeit desweiblichen Schicksals und die Abhängigkeit von den von Männern aufgestellten Regeln.Der Roman lässt das Bild einer Frau entstehen, die in der Männerwelt gefangen ist undüber keine Entscheidungsfreiheit verfügt: dieser Pess<strong>im</strong>ismus wird auch durch den Namender Protagonistin angedeutet: Merula kommt selbst auf ihren Namen zu sprechen, indem422 Die männliche Verkleidung Merulas weist eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit der Kleidungsweise eineranderen allein stehenden Frau auf: Andrea Loux aus der Erzählung Der vergrabene Schatz. Beide Figurentragen nämlich kuttenähnliche Gewänder und lederne Gürtel. Während aber diese Kleidung <strong>im</strong> Falle Merulas<strong>im</strong> Einklang mit ihrem Inneren steht – die Strenge der Kutte geht mit ihrer moralischen Reinheit einher –,weist sie <strong>im</strong> Falle Andreas’ auf eine Diskrepanz zwischen dem Inneren und Äußeren hin. (Vgl. das Kapitelzu Andrea Loux.). Darüber hinaus trägt auch die Tänzerin Fina aus der Skizze Die Legende der Fina eineKutte, wobei die Kutte hier eindeutig auf die innere Reinheit der Protagonistin verweist. (Vgl. das Kapitel zuFina). Es scheint also, dass die Kutte die Enthaltsamkeit der jeweiligen Figur dem Sexuellen gegenübersymbolisieren soll.423 Obwohl Merula eine Künstlerin ist, muss sie nicht unter einem inneren Zwiespalt leiden, wie dieKunstmalerin Mathilde aus Sterne der He<strong>im</strong>kehr. Dies lässt sich u. a. dadurch erklären, dass Merula nichteine w a h r e Künstlerin ist – denn als wahrer Künstler gilt in dem Roman ihr Bruder Manno, den Merula alseine künstlerisch talentierte Frau lediglich begleiten darf.

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