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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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130<strong>im</strong>mergrüner, guter, schützender, früchtetragender Baum gewesen, ganz ohne billigenGefühlsüberschwang, aber von sachlicher Fülle, harter Tatsächlichkeit und unverrückbarerWurzelhaftigkeit. […]. Conrad aber, - er war von Anfang an der Vogel gewesen, der sicheinnistete. […] Conrad hatte die schweigsame Scheu nie gekannt, von der die anderenKinder in Gegenwart der Mutter doch <strong>im</strong>mer befangen waren. […] Ihre Rauheiten nahm erabwertend hin […]. An ihre Härte, die sie doch glaubwürdig genug zur Schau trug, glaubteer nicht, das war klar. Er glaubte vielmehr, daß sie gut sei und nichts als gut und daß dasandere dazugehöre, das Rauhe zum Guten nämlich, wie die Rinde zum Brot.“ (BR. S. 81f.)Es fällt auf, dass die Kinder miteinander rivalisieren müssen, um die Gunst der Mutter zugewinnen: sie ist wie jener „Baum“, der sich zwar von den anderen lieben lässt, selbstjedoch diese Liebe nicht zeigt. Cordula wird auf diese Weise zum Gegensatz einer sichgebenden und fürsorglicher Mutter: sie ist nicht zärtlich und wärmespendend, sondern eherverschlossen, gefühllos, kalt und in sich gekehrt.Die Passivität Cordulas in ihrer Mutterrolle, in welcher sie Justine Forster aus dem RomanDas Labyrinth gleicht, geht dabei mit ihrer Schweigsamkeit einher:„[…] [Conrad] machte es sich nicht gern klar, daß seine Mutter <strong>im</strong> letzten Grunde zu allenFragen der Zukunft schwieg! Sie schwieg überhaupt viel, sagte er sich, noch mehr, als er esfür möglich gehalten hätte, wenn er sich an seine Kindheit und Jugend erinnerte.“ (BR. S.80)Und an einer anderen Textstelle heißt es ähnlich: „Wunderlich und kühl stieg ihreSchweigsamkeit an ihm empor; sie schien zu vergessen, daß er da war, da neben ihr saß[…]” (BR. S. 91) Die Schweigsamkeit der Mutter scheint ebenfalls eine ArtSprachlosigkeit zu sein: diese These bestätigt vorzugsweise die Episode, in welcherConrad die Mutter nach seinem wirklichen Vater fragt. In diesem Moment ist Cordulalediglich <strong>im</strong> Stande, „klanglos“ den Satz „Dein Vater ist tot“ (BR. S. 226) zu sagen und anConrad vorbeizugehen. Auf diese Weise liefert sie keine eindeutige Antwort; denn es kannsich hier um den eben gestorbenen wirklichen Vater Conrads handeln, aber auch um seinenfrüher verstorbenen Stiefvater. Es scheint, dass die Schweigsamkeit Cordulas aus ihremgeschlossenen Wesen resultiert, das es ihr unmöglich macht, sich selbst auszudrücken; aufder anderen Seite könnte dieses ausweichende Verhalten auf ihre Unfähigkeit verweisen,

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