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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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98eine Metaphorik verwendet wird, für welche solche Worte wie Atem, Hauch, Geschöpfgrundlegend sind 250 :„[…] ich [Muriel] bin seines Lebens gewiss wie meines eigenen – ich würde es fühlen, oh,ich würde es fühlen, wenn wir nicht mehr durch unseren Atem - durch den Hauch, derunseren Herzschlag trägt, durch den Geist, der uns eint, verbunden wären…“ (M. S. 155)Muriel wird gleichsam zur ‘Schöpferin’ des ihr am nächsten stehenden Menschen. Dass siesich von diesem ‘Schöpfungsakt‘ distanziert: „darin, daß ich ihn wie mich selbst empfand,darin hatte meine Versäumnis, meine Verfehlung bestanden!“ (R. S. 130), lässt sich als einweiteres Indiz für ihre Widersprüchlichkeit auslegen.Eine Möglichkeit der Etablierung der eigenen Macht besteht in der,Verweiblichung’ des Männlichen: denn die von Muriel enthusiastisch begrüßteÜbertragung ihres Ich ins Männliche drückt anscheinend nicht so sehr den Wunsch derFrau nach der Übernahme einer männlichen Identität aus, sondern bedeutet vielmehr einenVersuch, das Männliche um das Weibliche zu bereichern. In diesem Sinne scheint <strong>Ina</strong>Seidel hier an die Thesen der gemäßigten Aktivistinnen der Frauenbewegung anzuknüpfen,laut denen die männliche Ordnung durch das weibliche Element ergänzt werden müsse, umeine Verbesserung zu erfahren. 251Hervorzuheben ist in diesem Kontext, dass Muriel die Auseinandersetzung mitihrem Sohn auf die zwischengeschlechtliche Ebene transponiert und das von dem Sohnversinnbildlichte Männliche einer eindeutigen Kritik unterzieht:„Er setzte mir in dieser Frage nicht den Widerstand eines ungehorsamen Knaben, sondernden sich gleichwertig fühlenden Willen eines Mannes als dem einer Frau entgegen. […]<strong>im</strong>mer fühlte ich dies Grundelement durch: den männlichen unbeugsamen Willen, dereinseitig und verbissen auf seinem Ziele beharrte.“ (R. S. 136)250 Das Verhältnis zwischen Muriel und ihrem Sohn Rainer ist eine Umkehrung des Verhältnisses zwischenChristoph und Delphine aus dem Wunschkind. Irmgard Hölscher verweist darauf, dass man es auch <strong>im</strong>Wunschkind mit einem „quasi Schöpfungsakt“ zu tun hat. Im Roman findet sich eine Episode, in derChristoph, der Sohn Cornelies, seiner Milchschwester Delphine gottähnlich das Leben einhauche. (IrmgardHölscher: Geschichtskonstruktion und Weiblichkeitsbilder in <strong>Ina</strong> <strong>Seidels</strong> Roman »Das Wunschkind«. In:Barbara Determann, Ulrike Hammer, Doron Kiesel (Hrsg.): Verdeckte Überlieferungen. Weiblichkeitsbilderzwischen We<strong>im</strong>arer Republik, Nationalsozialismus und Fünfziger Jahren. Frankfurt / Main 1991. S. 41-81,hier S. 63). Siehe mehr dazu <strong>im</strong> Kapitel zu Delphine.251 Vgl. das Kapitel zu Helene Lange und Gertrud Bäumer.

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