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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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92dabei die Methode, die Zöglinge von der Gesellschaft zu separieren und in einergeschlossenen Gemeinschaft, an abgelegenen Orten, dem Erziehungsprozess zuunterwerfen. Für Renée ist dies eine Utopie, weil die Schüler dadurch nicht auf daswirkliche Leben vorbereitet werden. Die Kinder kommen gleichsam aus dem Paradieseund werden mit der Hölle der Wirklichkeit konfrontiert, gegen die sie nicht ankämpfenkönnen. In diesem Sinne n<strong>im</strong>mt Muriel die Position einer Außenseiterin an; in diese Rollezwingt sie ihre Pädagogik, die das gesellschaftlich sanktionierte Erziehungsmodell inFrage stellt, sowie ihre Unfähigkeit, sich den Problemen zu stellen: „[Muriel fürchtete]Komplikationen. Sie fürchtete alles, was nicht einfach, gerade und unbeirrbar war.“ (M. S.257) Muriel ist darüber hinaus eher eine einsame und nicht gesellige Natur, selbst in einerFrauengesellschaft steht sie <strong>im</strong> Schatten und zieht sich zurück. Muriels Verhalten bestätigtin der Folge auch die These Georg S<strong>im</strong>mels, dass eine in sich ruhende Existenz – wie sievon Muriel versinnbildlicht wird – in Beziehung zu außerhalb stehenden Wesen dieduldende und passive Rolle spiele. 242Indem Muriel als die Verbindung der Gegensätze, der Erde und des Meeres, deslebenspendenden und lebenszerstörenden Prinzips dargestellt wird, wird suggeriert, dasssie auch die Attribute der Großen Mutter übern<strong>im</strong>mt, wie sie von Bachofen beschriebenwurde: Es sei hier nur daran erinnert, dass laut Bachofen die Widersprüchlichkeit einWesenszug der Großen Mutter war, die er zur Göttin des Ursprungs erhob. 243Auf den zwiespältigen Charakter der Mütterlichkeit kommt <strong>Ina</strong> Seidel auch ineinem ihrer Aufsätze zu sprechen, in dem sie die weiblichen Gestalten <strong>im</strong> zweiten Teil vonFaust einer kurzen Analyse unterzieht. <strong>Ina</strong> Seidel betont nämlich, dass„hier die beiden Seiten nicht nur der Weiblichkeit schlechthin, sondern vor allem derMütterlichkeit begriffen und dargestellt sind, wie sonst nur in den Urtypen der Mythologie.Daß Mütterlichkeit nicht nur Licht – Wärme – Fruchtbarkeit, sondern ebensosehr Nacht –Tod – Untergang bedeutet; daß es nicht nur einen Genius, sondern einen ebenso mächtigenDämon der Mütterlichkeit gibt, denen auf der anderen Seite nur Gott und Satan entsprechen[…].“ 244242 Vgl. das Kapitel zu Georg S<strong>im</strong>mel.243 Vgl. das Kapitel zu J. Bachofen.244 <strong>Ina</strong> Seidel: Goethe und die Frau. In: (Dies.): Frau und Wort. Ausgewählte Betrachtungen und Aufsätze.Stuttgart 1965, S. 100-128, hier S. 122.

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