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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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240danach zu fragen, wie diese Frau eigentlich aussähe – ob sie schön sei <strong>im</strong> landläufigen Sinnedieses Begriffes.“ (M. S. 304)Das Innere lässt hier gleichsam das Äußere verschwinden; das Geistige an Michaelascheint ihr Äußeres auf gewisse Weise zu überstrahlen. Die stoffliche Komponente ihresBildes tritt deutlich zurück: da sich die Figur von dem Stofflichen loslöst, entgleitet siedem <strong>im</strong> Stofflichen verwurzelten Mütterlichen.Michaelas ‚vergeistigte’ Eigenart scheint sie daran zu hindern, die Bindung anandere Menschen zu suchen. 443 Sie wird zu einer Einzelgängerin – an diesem Zustand seieben „[ihr] unselig kompliziertes Wesen“ (M. S. 927) schuld. Dabei sei sie, so heißt es,weder ein positiver noch ein negativer Einzelgänger, sondern „das Produkt gewisserUmstände, die [sie] in die Isolation geraten ließen.“ (M. S. 803) Nicht zu übersehen isttrotzdem, dass Michaela vor allem eine Wissenschaftlerin ist. Wie bereits angedeutet,bietet ihr einzig und allein die wissenschaftliche Arbeit die Möglichkeit derSelbsterfüllung. Daher liegt hier die Behauptung nahe, dass Michaelas spirituelleEntrücktheit der Realitätsabgewandtheit eines Wissenschaftlers entspricht. Und alsweiblicher Wissenschaftler muss sie eine Einzelgängerin sein:„Wenn Frauen sich zu einer künstlerischen oder wissenschaftlichen Arbeit berufen fühlen,wenn sie ihr Pfund, ihr Talent nicht vergraben, dann schlagen sie sich, ob sie wollen odernicht, auf die Seite der Einzelgänger. Und merkwürdigerweise, vielleicht aber auch aus leichterklärlichen Gründen, ist ein Mann in dieser Lebensform <strong>im</strong>mer glücklicher, nicht nur in sichselbst, sondern auch in seiner Wirkung auf andere Menschen. Es ist <strong>im</strong>mer noch so, daß,trotz allem, was Frauen in den letzten fünfzig Jahren erreicht oder geleistet haben, derselbständig einer Berufung folgenden Frau die Abweichung von einer aus dem reinBiologischen abgeleiteten Norm <strong>im</strong> gehe<strong>im</strong>en verdacht wird, und darauf reagieren diemeisten dieser Frauen mit einer Überbetonung ihrer intellektuellen oder künstlerischenPersönlichkeit und suchen damit ein uneingestandenes Minderwertigkeitsgefühlauszugleichen.“ (M. S. 803) 444443 Diese Vergeistigung bedeutet jedoch nicht, dass Michaela den Typus einer keuschen und der Sexualitätentsagenden Frau darstellt. Dass die Fragen der Moral für sie eher zweitrangig sind, suggeriert ihre Liaisonmit einem verheirateten Mann. Diese Episode kann aber auch ein Argument für die These sein, dass dieProtagonistin sich nicht an andere binden lässt: die Beziehung zu einem bereits vergebenen Mann scheint vonvornherein zum Scheitern verurteilt, die Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften Bindung wird erheblichreduziert.444 In gewissem Sinne spricht davon G. Bäumer, wenn sie bemerkt, dass die wissenschaftliche Betätigungmehr Engagement von der Frau als von dem Mann verlange. Vgl. das Kapitel zu H. Lange und G. Bäumer.

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