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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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231Porträt eines jungen Mannes. Von Anfang an fühlt sich das Mädchen von dem Bildseltsam angezogen; sie hat sogar den Eindruck, als ob es leben würde.Eines Tages, als Melitta in dem Rosengarten beschäftigt ist, taucht plötzlich in ihrerNähe ein Mann auf, der dem Knaben aus dem Bild ungewöhnlich ähnelt: es ist Fridolin,der Neffe des Hausbesitzers. Das Mädchen und der Junge treffen sich von nun an täglich indem Haus des alten Freundes, der Rosengarten wird zum Schauplatz einer sich langsamentwickelnden Liebesbeziehung. Mit der steigenden sommerlichen Hitze werden dieGefühle der jungen Leute <strong>im</strong>mer intensiver: an einem Tag vor Gewitterausbruch erreichtdie gegenseitige Anziehung ihren Höhepunkt. Doch die plötzliche Rückkehr des altenFreundes lässt die beiden Liebenden einander nicht näherkommen – mit dem Ausbruch desGewitters wird symbolisch der Liebe ein Ende gesetzt. Fridolin verschwindet aufungeklärte Weise und Melitta n<strong>im</strong>mt das Geschenk ihres alten Freundes an, eine Fahrkarte,dank welcher sie jene Orte besuchen kann, nach denen sie sich schon seit langem gesehnthatte. Die Protagonistin kehrt nicht in die Großstadt zurück; „auf ein anderes Arbeitsfeld“(D. S. 51) berufen, ändert sie ihren Wohnort.Ähnlich wie die Erzählung Spuk in des Wassermanns Haus spielt sich die hierskizzierte Geschichte vor einem phantastischen Hintergrund ab. Die Motive des einsamstehenden, sonderbar anmutenden Hauses und vor allem des ‚lebendigen’ Bildes rückenden Text in die Nähe des Bedrohlich-Phantastischen. 430Das Phantastische bildet indes nur den Hintergrund der hier dargestelltenLiebesgeschichte, infolge deren die Protagonistin eine Wandlung erlebt. Das kurzeLiebesglück lässt sie in ihrem Leben einen neuen Sinn finden.Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass sich bereits in diesem frühen Text dieÜberzeugung <strong>Ina</strong> <strong>Seidels</strong> zu manifestieren scheint, dass das weibliche Liebesempfindenvor allem ein geistiges, von körperlichen Neigungen befreites Gefühl sein sollte. Es scheintkein Zufall zu sein, dass in dem Moment vor der letzten Hingabe Melittas an ihrenGeliebten ein Gewitter ausbricht, das die Liebenden auseinander gehen lässt. Darüberhinaus suggeriert die Figur eine solche Auslegung selbst:430 Auch in dieser Erzählung bemüht sich die Autorin, eine phantastische Geschichte <strong>im</strong> klassischen Sinne zuerzählen: der Leser wird jeweils mit zwei Erklärungen der ungewöhnlichen Ereignisse konfrontiert. Einebest<strong>im</strong>mte Erzählstrategie erzeugt den Effekt der Doppeldeutigkeit des Dargestellten, zumal letzten Endesnicht geklärt wird, ob sich die Protagonistin in einen wirklich existierenden schönen Jüngling verliebt hatoder ob es sich vielmehr um die Begegnung mit einem Geist handelte.

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