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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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201„Ihre Bindung an ihren Mann hatte etwas Blindes und Triebhaftes; sie war ihm, da er nichtzurückkam, gefolgt, wie gewisse Tiere der Spur eines verlorenen Gefährten folgen, um ihnzu befreien, mit ihm zu sterben oder ihn zu rächen […]” (M. S. 302).Renée handelt gegen den Willen Muriels, indem sie England verlässt und in die Schweizfährt, um so näher ihrem in Deutschland verschollenen Mann zu sein. Sie will sichunbedingt in seiner Nähe befinden: „Es stand mehr als Trotz dahinter, es lag etwasFanatisches, fast Manisches darin, das in sonderbarem Kontrast zu ihrem schwachenUntergesicht stand.“ (M. S. 616) Renées Gefühl für ihren Mann hat offenbar etwasTriebhaftes: diese Triebhaftigkeit ist ein Merkmal ihres Wesens, das sie trotz derdurchgemachten Entwicklung nicht völlig verdrängen konnte. Ihre ursprüngliche Natursiegt über die Protagonistin und führt auch ihren Untergang herbei: da ihr der Mann allesist, bedeutet sein Tod auch ihren Tod.Die Entwicklung der Protagonistin wird letzten Endes in Frage gestellt:„Als ich dich wiedersah, Kind, schienest du mir fast rätselhaft unverändert – in deinerSchlankheit, deinen tänzerischen Bewegungen, mit deinem Ausdruck einer verträumtenjungen Amazone, die sich unter die Menschen verloren hat und sich nicht zurechtfindet. Ichdachte: da ist sie nun vierzehn Jahre verheiratet, ist zwe<strong>im</strong>al Mutter geworden und <strong>im</strong>mernoch dieser Blick über das Nächstliegende hinweg nach dem Horizont… Aber – du bistverändert, Renée.“ (M. S. 254)Mit dieser Aussage will sich Muriel selbst von der Wahrheit ihrer Annahme, dass Renéetatsächlich eine Entwicklung durchgemacht habe, überzeugen. Sie muss jedoch einsehen,dass ihr „Erinnerungsbild“ (M. S. 254) an Renée verfälscht ist: <strong>im</strong> Gespräch mit derSchwiegertochter gibt sie zu, dass sie sich „von jeher eine falsche Vorstellung von [Renée]gemacht hätte […]“ (M. S. 255) und dass sie „der Suggestion, die von [Renées]Erscheinung, [ihrem] Auftreten ausging“ (M. S. 256) erlag. Es ist markant, dass Renéesvermeintliche Entwicklung als ein Spiel entblößt wird, worauf sie selbst verweist, indemsie Muriel an die zwei Jahre der Schauspielschule erinnert, die sie hinter sich hat. DieVeränderung der Protagonistin entpuppt sich demgemäß als eine Art‚Täuschungsmanöver’ – Renée habe <strong>im</strong> Grunde eine weitere Rolle geschickt gespielt, wasebenfalls der Erzähler Jürgen Brook zur Sprache bringt:

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