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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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217dass sie den Vater als einen despotischen Bewahrer der patriarchalischen Ordnungwahrn<strong>im</strong>mt, welcher seine Frau wie ein Objekt behandelte:„Ich glaube, er dachte, da die St<strong>im</strong>me der Frau, die er liebte, gehörte, so gehörte ihm dieSt<strong>im</strong>me mitsamt der Frau, und wenn die Frau während seiner Abwesenheit schönergeworden war als je zuvor, und die St<strong>im</strong>me zu einer Gewalt, die ihr alles unterwarf, so warer eben der Besitzer von alledem, und anderes kam ihm überhaupt nicht in den Sinn.“ (Z. S.60)Trotz des Unglücks, das Merulas Mutter getroffen hat, und trotz der hintergründigen Kritikan dem Vater wird er eben zu einer Bezugsperson für Merula. Bei ihm sucht die TochterTrost und Schutz, auf seinen Knien erwacht sie als nachtwandelndes Kind. Sie ist bereit,sich dem Vater zu fügen:„Immer, wenn mir das Leben unerträglich wird, brauche ich nur an so einen Waldgang mitihm zu denken; dann ist er vor mir – mächtig, schwerfällig, unaufhaltsam fortschreitend.Gläubig, unter Verzicht auf alle eigenen Absichten, folge ich ihm …“ (Z. S. 91)Ebenfalls ihr Äußeres lässt Merula vor allem als die Tochter ihres Vaters und nicht ihrerMutter wahrnehmen: „[…] ich bin ja Papa viel ähnlicher als ihr. Ich bin überhaupt nurPapa ähnlich.“ (Z. S. 49)Merula Orley steht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Vater. Selbst dann, wennsie es wagt, ihre eigene Meinung ausdrücken, fürchtet sie, dass sie den Vater enttäuschenkönnte:„Ich war schon groß genug, um zu ahnen, daß ich dieser Anforderung, nur zu blühen und zusingen, nicht würde genügen können – daß ich keine von den Frauen werden könnte, dieBlumen und Vögeln gleichen, und diese Ahnung erfüllte mich mit der leise quälendenBeunruhigung, daß ich ihn hierin würde enttäuschen müssen.“ (Z. S. 94)verhe<strong>im</strong>licht wurde. So wird das Schreiben zur einzigen Möglichkeit, sich selbst zu artikulieren und dieweibliche Genealogie aufrechtzuerhalten: durch die Briefe hat die Tochter Einblick in das Wesen der Mutter,und ebenfalls für sie wird das Schreiben zum Mittel, die Wahrheit über sich selbst zu erfahren.

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