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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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245können. Die meisten von ihnen müssen letzten Endes den Tod finden (Renée, Delphine,Loulou), aus der erzählten Welt verschwinden (Tatjana, Therese) oder einen Wandelerleben, den die erwünschte Haltung der Moral gegenüber – die sexuelle Enthaltsamkeit –oder die Hinwendung zum Mütterlichen andeutet (Renée, Andrea). Die Erotisierung desweiblichen Daseins, die sich wohl am deutlichsten am Beispiel der ‚Neuen Frauen‘manifestiert (Andrea, Renée, Tatjana), ist für <strong>Ina</strong> Seidel eine unerwünschte Erscheinung.Auf der anderen Seite lässt es sich nicht verneinen, dass sich das sinnliche Element, trotzder von Seidel angestrebten Desexualisierung der mütterlichen Frau, gerade in der Mutter-Kind-Beziehung unterschwellig manifestiert. 449 Diesen scheinbaren Widerspruch könnteman darauf zurückführen, dass sich die sexuelle Färbung der Mutter-Kind-Beziehung alsein Subtext zeigt, denn in erster Linie fällt es auf, dass laut der Autorin die Frau dazuprädestiniert ist, dem Sinnlichen zu entsagen und <strong>im</strong> S<strong>im</strong>melschen Sinne eine edleExistenz aufzubauen. Daher wird die Promiskuität mancher Frauengestalten eindeutigkritisiert (Loulou, Renée) oder als die Ursache ihres Versagens als Mutter vorgeführt(Therese).Diese Unbeflecktheit in Fragen der Moral bedeutet freilich nicht nur dieEnthaltsamkeit dem Sexuellen gegenüber: sie ist auch ein würdevolles, humanes Handeln,das sich mit Lüge, Verrat und Egozentrismus nicht vereinbaren lässt. Deswegen müssendie Frauen, die dieses ethische Gebot verletzen, als Mütter versagen – wie Cordula ausBrömseshof und Frau Berngruber aus der Geschichte einer Frau Berngruber. So erweistsich das Weibliche als eine ethische Verpflichtung: eine Frau zu sein bedeutet, sich zu449 Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass in vielen Texten die Mütter zu sexuellen Objektenwerden, wie z. B. <strong>im</strong> Wunschkind, aber auch in Das Haus zum Monde oder in einem in der vorliegendenArbeit nicht analysierten Prosastück Die Fahrt in den Abend. Die Fahrt in den Abend (1955) ist eine kurzeErzählung, in welcher die letzten Momente eines angesehenen Arztes namens Friedrich Hornung geschildertwerden. Auch in diesem Text machen sich indirekte Inzestphantasien bemerkbar: als der Arzt z. B. seinerehemaligen Geliebten gedenkt, erscheint vor seinem inneren Auge die Gestalt der Mutter: „Maria erinnertemich - an Miranda, wußte er nun wieder. Diese hier hat eine Neigung des Nackens, wie meine Mutter siehatte – Miranda hatte sie auch, diese rührende, entgegenkommende, lauschende Neigung… Mutter – Miranda– Maria – Akkord in Moll – rätselhafter Dreiklang – man müßte ihn auflösen. Weg damit! Er hatte dasBedürfnis, diese ungreifbar in Tönen und dann auch in Farben aufsteigenden Betrachtungen abzubrechen, alsseien sie gefährlich.“ <strong>Ina</strong> Seidel: Die Fahrt in den Abend. Erzählung [1955]. Heilbronn 1979. S. 94. Auch indem Roman Der Weg ohne Wahl gibt es eine Textstelle, in welcher der Arzt Rasmus folgendes bekennt:„War es nicht, als zögen alle Erscheinungen seiner Vergangenheit wehend wie Schatten heran, neigten sichüber diese Stunde und tränken sich Leben? Auch sie war darunter, seine Mutter; ganz in ihn selber vertauschtund für ihn nicht vom eigenen Odem getrennt erkennbar spürte er sie und wußte, daß sie gekommen war, wiesie <strong>im</strong>mer kam, wenn eine Frau den innersten Ruf seines Blutes gelöst hatte…“ <strong>Ina</strong> Seidel: Der Weg ohneWahl. Stuttgart 1933, S. 18. Eine detaillierte Untersuchung der Inzest-Thematik <strong>im</strong> Wunschkind bietet derBeitrag Barbara Vinkens. (Inzest und totaler Krieg. <strong>Ina</strong> <strong>Seidels</strong> politische Romantik und derNationalsozialismus. In: Petra Leutner (Hrsg.): Das verortete Geschlecht. Literarische Räume sexueller undkultureller Differenz. Tübingen 2003, S. 175-184). Es wäre jedoch aufschlussreich, das Gesamtwerk derAutorin unter Einbezug der Psychoanalyse etwas genauer zu analysieren.

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