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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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197Renée tritt auch in dem Roman Michaela (1959) auf, in welchem sie bereits alsRainers Frau und die Mutter von zwei Kindern dargestellt wird. In Michaela heißt es, dassRenée <strong>im</strong> Elsaß geboren wurde und dass ihre Eltern tot sind: ihr Vater, ein deutscherForstbeamter, wurde als französischer Spion <strong>im</strong> Jahre 1914 von den Deutschen erschossen,ihre Mutter, eine Französin, nahm sich darauf das Leben. Nach dem Tod der Eltern wuchsdas Mädchen bei französischen Verwandten mütterlicherseits auf, die sie adoptiert haben.Die Protagonistin ist also deutsch-französischer Herkunft, sie hat auch einen doppeltenNamen: als Renate Wendeler ist sie in den Urkunden an ihrem Geburtsort eingetragen, undseit der Adoption heißt sie Renée Pélérin. Die Herkunft der Protagonistin, sowie ihrdoppelter Name geben zu bedenken, dass Renée auf gewisse Art und Weise aus zweiPersönlichkeiten bestehe. An ihrem Beispiel werden zwei Weiblichkeitsauffassungengegeneinander ausgespielt: auf der einen Seite ist sie eine allein stehende, emanzipierteFrau, auf der anderen wird sie zur Ehefrau und Mutter. In der Erzählung Renée und Rainerwird die Protagonistin vor allem als eine allein stehende Frau dargestellt, während sie <strong>im</strong>Roman Michaela als Gattin und Mutter auftritt.Dass die Erzählung in den Zwanziger Jahren spielt und Renée zunächst als eineallein in einer Metropole (Berlin) lebende Frau gezeigt wird, die zwei JahreSchauspielschule hinter sich hat, lässt daran denken, dass sie ein Beispiel für die ‚NeueFrau’ ist. Diesen Schluss untermauert das Aussehen der Protagonistin, die dem Ideal der‚Neuen Frau’ entspricht:„[…] sie hatte den Hut abgelegt, und ihr kurzes lockiges Haar ließ sie von fern wie einenKnaben erscheinen. Den Kopf in die Hand gestützt und eine Zigarette nach der anderen indie Sommerluft blasend, dachte Renée fortwährend an Rainer […].” (R. S. 62)Auch später als die Gattin Rainers gleicht Renée der schlanken und sportlichen ‘NeuenFrau‘:„Was Renées Aussehen betrifft, so macht es mir gar nichts aus, festzustellen, daß sie fastauffallend gut aussah 386 , groß und schlank und – obgleich sie ebenso wie Michaela nahe an386Obwohl sie „auffallend gut aussieht“, lassen sich in ihrem Gesicht „verräterische Züge einerunbest<strong>im</strong>mbaren Schwäche“ (M. S. 305) beobachten. Diese Schwäche gibt zu bedenken, dass dieProtagonistin nicht als das Ideal der Frau gelten kann. Darüber hinaus lässt sich dieser Gesichtszug als eineVorausdeutung ihres künftigen Schicksals verstehen: denn Renée vermag es nicht, über den für sie damalsoffensichtlichen Tod ihres Mannes (Rainer wurde von der Gestapo verhaftet) hinwegzugehen – inVerzweiflung n<strong>im</strong>mt sie sich das Leben, obzwar sich letzten Endes erweist, dass ihr Mann lebt.

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