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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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109Volke ähnlich. Aber auch umgekehrt wird hier die Suggestion sichtbar, dass jede Frau,unabhängig von ihrer gesellschaftlichen Stellung, durch ihre Prädestinierung zurMutterrolle eine Louise in spe, also eine mögliche Königin ist. Die Mütterlichkeit wirddemzufolge als eine königliche Würde dargestellt, dank welcher die Frau eine besondereStellung in der Gesellschaft genießen kann. 269 Zugleich drängt sich hier der Gedanke auf,dass die Mütterlichkeit ebenfalls ein Versprechen der Macht gibt, worauf die Suggestionder königlichen Würde – also der einer Herrscherin – verweist.Als das Sinnbild der geistigen weiblichen Herrscherin figuriert dagegen die MutterGottes, deren Bild in dem wohl berühmtesten Abschnitt des Wunschkindes beschworenwird:„Aber der Tag wird kommen – und er muß kommen – da die Tränen der Frauen stark genugsein werden, um gleich einer Flut das Feuer des Krieges für ewig zu löschen. Der Tag, da derGeist – die Taube – unter dem heiligen Regenbogen über der wiedergeborenen Erde 270schwebt – und dann…“ […]„Dann setzt der Sohn der Mutter die Krone aufs Haupt.“ (W. S. 1048f.)Im doppelten Sinne wird folglich die Mütterlichkeit gekrönt: als eine weltliche Macht, fürdie die Königin Louise steht, und als eine geistige, für die die Mutter Gottes steht. 271 EineBestätigung für diese Behauptung findet man wieder in dem Aufsatz Mütterlichkeit –Brüderlichkeit, wo als Symbol des idealistischen Konzeptes der geistigen Mütterlichkeitdie Gestalt der Mutter Gottes dargestellt wird:269 Man kann nicht umhin, hier wieder auf die Ähnlichkeit dieses Konzeptes mit den Thesen Bäumers undLanges hinzuweisen, laut denen die Mütter eine bedeutende Rolle in der Gesellschaft spielen sollen. Vgl. dasKapitel zu Lange und Bäumer.270 Die Formulierung „die wiedergeborene Erde“ und das visionäre Bild des Sohnes, der seiner Mutter „dieKrone aufs Haupt“ setzt, könnten ebenfalls als eine Anspielung auf Bachofen gelesen werden: es sei hier nurdaran erinnert, dass die Erde das Symbol des mutterrechtlichen Zeitalters war und dass das Ende dieserEpoche mit der Übernahme der Macht durch die Söhne erfolgte. Dieser Machtwechsel hatte aber keinenrevolutionären, sondern einen friedlichen Charakter: die Mütter hatten nämlich ihre Macht an die Söhnefreiwillig abgegeben. Die Wiedergeburt der Erde und die Krönung der Mutter durch den Sohn könnten indiesem Sinne als der Wunsch nach der Rückkehr des gynaikokratischen Weltalters gedeutet werden, als eineArt Restaurierung des Mutterrechts als einer Epoche, die Krieg und Gewalt nicht kannte.271 Dass es sich in dem angeführten Zitat um die Muttergottes handelt, betont <strong>Ina</strong> Seidel selbst: „’Dann setztder Sohn der Mutter die Krone aufs Haupt...’ – diese Worte beziehen sich ursprünglich auf ein die KrönungMarias durch Christus darstellendes Gemälde – ein Bild also, auf dem der von Ewigkeit her erhöhte Sohn dieMutter zu sich erhebt! Mir wurde dies Bild, dieser mit Worten kaum auszuschöpfende heilige Vorgang zumSymbol der höchsten Verschmelzung männlichen und weiblichen Wesens in letzten, überzeitlichen Zielendes Menschen.“ <strong>Ina</strong> Seidel: Über die Entstehung meines Romans „Das Wunschkind.“ In: (Dies.): Dichter,Volkstum und Sprache. Ausgewählte Vorträge und Aufsätze. Stuttgart/Berlin 1934. S. 175-190, hier S. 188f.

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