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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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173vom Schw<strong>im</strong>men komme. Auf die Verbindung zwischen Melitta und dem Wasser weistdarüber hinaus Spener hin: „das ist ja Undine – das ist Melusine! Zog sie nicht eineWasserspur hinter sich drein mit der Schleppe?“ (SP. S. 16).Neben dem Wasser wird das Weiß zu einem festen Bestandteil des Bildes vonMelitta: wie bereits angedeutet, trägt Melitta ein weißes Kleid, als sie zum ersten Malerscheint; weiß angezogen taucht sie <strong>im</strong>mer wieder <strong>im</strong> Text auf. Zu ihremErscheinungsbild gehören auch die weißen Wasserrosen sowie eine Glaskugel, die jedochnur in einem Traum Speners erscheint:„[…] eine smaragdgrüne Woge trug ihm Melitta Nikoleit entgegen, ihr weißes Gewandverfloß wie Schaum mit der Flut, sie trug einen Kranz weißer Wasserrosen in dem gelöstenHaar und lächelte gehe<strong>im</strong>nisvoll, während sie eine gläserne Kugel durch ihre Hände laufenließ. ’Melusine’, flüsterte Spener.“ (SP. S. 25)Unübersehbar n<strong>im</strong>mt Melitta die Züge eines weiblichen Wassergeistes, der mythischenUndine 354 an: dem Mythos zufolge ist Undine ein Elementarwesen, das das ElementWasser verkörpert. Sie ist ein seelenloses Geschöpf, das erst infolge der Vermählung miteinem Mann in den Besitz der menschlichen Seele kommen kann. Zu dem Undine-Stoffgehört darüber hinaus das Motiv des Verrats und der Rache an dem untreuen Geliebten: inden meisten Texten wird Undine von dem Mann verraten – sich in ihr Elementzurückziehend, tötet sie den Untreuen mit einem Kuss. 355Die vielen Wasserbezüge lassen Melitta als eine Verkörperung der mythischenUndine wahrnehmen. Die sie begleitende weiße Farbe suggeriert außerdem, dass sie gleichUndine ein unschuldig-jungfräuliches Wesen ist. Melitta verliebt sich in einen Menschen,den Wasserinspekteur Aurach, der sie nach der Heirat zu sich nehmen soll; derÜberlieferung zufolge ist sie also bereit, ihr Element, für welches in der Erzählung die vondem Wasser umkreiste Inselmühle steht, zu verlassen. Obwohl es nicht zu der Vermählungkommt und obwohl Aurach Melitta nicht verrät, trägt sie doch, auch wenn indirekt, zu demTod des Geliebten bei.354 Das Motiv der Wasserfrau tritt seit Paracelsus’ Liber de nymphis, sylphis, pygmaeis et salamandris et decaeteris spiritibus (1581) <strong>im</strong>mer wieder in der Literatur, Musik und bildender Kunst auf. Als individualisiereliterarische Gestalt erscheint die Wasserfrau in der Erzählung Friedrich de la Motte Fouqués Undine (1811),einem der Meisterwerke der deutschen Romantik, das zugleich den Bezugspunkt für alle weiterenBearbeitungen des Stoffes bildet. Eine moderne Umgestaltung des Undine-Motivs stellt die ErzählungUndine geht (1961) von Ingeborg Bachmann dar.355 Vgl. Elisabeth Frenzel: Stoffe der Weltliteratur: ein Lexikon dichtungsgeschichtlicher Längsschnitte.Stuttgart 1992, S. 647-649.

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