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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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108Es handelt sich also gewissermaßen um ein Zurücktreten des subjektiven Empfindens, umeine Entsubjektivierung der Mütterlichkeit, die den Charakter einer äußerst altruistischenHaltung annehmen solle. Mit diesen Thesen scheint <strong>Ina</strong> Seidel die Postulate Helene Langesund Gertrud Bäumers zu wiederholen, welche von der Frau die Entwicklung „aus demGattungswesen zur freien Individualität“ forderten und die Krönung dieser Entwicklung indem Konzept der ‚geistigen Mütterlichkeit’ sahen. 267Aber auch in dieser idealistischen Konzeption der Mütterlichkeit macht sich derMachtgedanke kund. In dem Aufsatz Mütterlichkeit – Brüderlichkeit findet man neben derBemerkung, dass die vergeistigte Mütterlichkeit <strong>im</strong> Stande wäre, die unmündigenMenschen zu leiten, die Forderung, „Frauen aller Kulturländer zu einer einzigen,geschlossenen Partei für Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit zu vereinigen“, die als derAusdruck der „Solidarität der großen Massen der Frauen aller Länder“ 268 gelten sollte.Dieser Machtanspruch charakterisiert Cornelie von Echter, wie bereits erwähnt; erkommt auch am Beispiel von zwei anderen weiblichen Gestalten aus dem Wunschkind zumAusdruck: der Königin Louise und der Muttergottes Maria. An ihrem Beispiel scheint sichdie Überzeugung <strong>Ina</strong> <strong>Seidels</strong> zu manifestieren, dass die Mütter die idealen Herrscherinnensein müssten, wobei die Dichterin hier zwischen der irdischen und der geistigen weiblichenFührung unterscheidet. Veranschaulicht wird die irdische weibliche Führung durch diestolze Gestalt der Königin Louise, deren Mütterlichkeit ihr die Kraft zur Aufopferung fürihr Land und Volk gibt:„Louise […] war so sehr Fürstin, als Frau, eine Frau, die gleich der ärmsten Mutter <strong>im</strong> Landemit ihrem Leibe die Lasten von zehn Kindern erduldet, die dem vollen Anprall des das Landzermalmenden Schicksals die Brust geboten und sich keinem Leiden und keiner Demütigungentzogen hatte. Was feierte das Volk in ihr, als sich selbst, […] als die sichtbare Gewissheit,daß inmitten aller Schwachheit Vollkommenheit lebte, die nicht untergehen konnte?“ (W. S.811)Die Mütterlichkeit Louises macht sie zu einer „Vollkommenheit“, wodurch suggeriertwird, dass sie nicht nur als Frau, sondern auch als Herrscherin als Ideal gilt.Kennzeichnenderweise wird auch dank ihrer mütterlichen Veranlagung derStandesunterschied aufgehoben: als Mutter ist die Königin Louise einer Frau aus dem267 Vgl. das Kapitel zu Lange und Bäumer.268 <strong>Ina</strong> Seidel: Mütterlichkeit - Brüderlichkeit. In: (Dies.): Frau und Wort. Ausgewählte Betrachtungen undAufsätze. Stuttgart 1965, S. 241-244, hier S. 241.

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