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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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137Das Muttersein wird zu einem ersehnten, aber unmöglichen Zustand: es bringt eineGeborgenheit, die in der Realität nicht existiert. 312 Obwohl es für die Frau Selbsterfüllungund das höchste Glück bedeuten würde, jenseits jeglicher gesellschaftlichenVerantwortung, kann es nicht verwirklicht werden, weil sich die Fürstin eben dieserVerantwortung nicht entziehen will. Da sie sich der Realität nicht verweigern will – undsolche Verweigerung würde folglich die Konzentrierung auf die Mutterrolle bedeuten –wird das Muttersein für Katharina zu einem Störfaktor. Katharina muss auf gewisse Weiseihre Mütterlichkeit ‘beiseite legen’, um sich politisch engagieren zu können.Die junge Fürstin lässt sich von der Großfürstin in ihre revolutionären Pläneverwickeln 313 und stellt sich, wie gesagt, an die Spitze der Verschwörung gegen denregierenden Zaren. Es ist kennzeichnend, dass in dem Moment, als die Revolutionausgerufen wird, Katharina eine männliche Kleidung, „die Uniform eines Leutnants“ (F. S.109), anzieht:„Die Fürstin blickte starr in den Spiegel. Sich langsam in den verwandelnd, der ihr dortentgegenblickte, fühlte sie ein fremdes Selbst sich überkommen, das Selbst jenes Knabendort in der knapp sitzenden grünen Montur. Es war ein heißes, ungestümes Selbst, ein Selbst,das alles vergessen hatte, was bis zu diesem Augenblick hinter ihm lag. Dieser Körper, vonder geschmeidigen Härte einer Klinge, - war er je Geliebte gewesen, - Mutter geworden?Diese festen gebräunten Hände […] hatten sie je etwas anderes verrichtet, als ein Pferdgebändigt, einen Degen geführt?“ (F. S. 109f.)Laut Gabriele Thöns wird durch das Hineinschlüpfen in die männlichen Kleider die‚Knabenfrau’ erzeugt, die nach dieser Forscherin zu einem festen Motiv bei <strong>Ina</strong> Seidelgehöre und welche neben der Erzählung Die Fürstin reitet auch in dem Prosastück Dervergrabene Schatz auftauche. 314 Die Forscherin behauptet, dass jene ‚Knabenfrau’ dasWunschdenken der Dichterin exemplifiziere: „so erobert sie in der Gestalt des ‚Knaben’312 In dem Zitat fällt insbesondere die Formulierung „mütterliche Nacht“ auf, die man als eine Anspielung aufBachofen lesen könnte: es sei hier nur daran erinnert, dass laut Bachofen die mütterliche Nacht eine„chthonische Macht“ war. Die Anspielung auf Bachofen scheint hier folglich der Intensivierung der Aussagezu dienen: das Muttersein wird für die weibliche Figur zu einem ersehnten, aber utopischen Zustand.313 Man kann nicht umhin, die Frage zu stellen, warum sich die junge Fürstin mit solchem Engagement in dieDienste der Großfürstin stellt. Zwar erklärt sie es selbst mit der Liebe zu der Großfürstin und dem Vaterland,auf der anderen Seite scheint es aber, dass es sich hier auch für sie um einen verdeckten Machtwunschhandelt: als eine Vertrauensperson der künftigen Zarin würde Katharina über einen wesentlich größerenWirkungsraum verfügen.314 Gabriele Thöns: Aufklärungskritik und Weiblichkeitsmythos – die Krise der Rationalität <strong>im</strong> Werk <strong>Ina</strong><strong>Seidels</strong>. Düsseldorf 1984, hier S. 220f.

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