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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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97„Eine ihrer Forderungen war, daß die stumpfe Selbstverständlichkeit, mit der der Mensch derGegenwart seine Umwelt hinnehme, ohne nach den Voraussetzungen ihrer Entstehung[Hervorhebung kommt von mir – N. N.] zu fragen, gebrochen werden müsse […].“ (M. S.467)Die Anerkennung des Pr<strong>im</strong>ats des Mütterlichen bedeutet die Aufwertung der Frau <strong>im</strong>Patriarchat und die Erschaffung eines größeren weiblichen Handlungsraums. So ist esmarkant, dass eben ein Mann, ein englischer Lehrer namens Fabricius, mit welchemMuriel über ihre Bildungsideen diskutiert, sie als eine „Utopie“ einstuft (M. S. 483). Nichtzu übersehen ist, dass Muriel selbst „den Pr<strong>im</strong>at des Patriarchates“ (M. S. 476) zur Sprachebringt und dass ihr Konzept auf den Widerstand der männlichen Lehrer stößt, denen sieihre pädagogischen Reformpläne vorlegt.Muriels Herangehen an ihre Zöglinge, also die Tatsache, dass sie für sie als Mutterdie einzige Bezugsperson sein will, deren Einfluss sie jenseits anderer menschlicherGemeinschaften ausgeliefert sind, lässt auch auf den Machtanspruch der Lehrerinschließen. Diesen Machtanspruch suggeriert ebenfalls der Vergleich Muriels mit einer„Fürstin“ oder „Königin“. Diese These wird vor allem durch Muriels Verhältnis zu ihremSohn bestätigt, das deutlich von dem Wunsch nach der Begründung einesMachtverhältnisses getragen wird:„Ich [Muriel] bin mir ja jahrelang nicht darüber klar geworden, wie stark ich ihn an michgebunden hatte. Mein Gott, als er klein war, haben sie mir <strong>im</strong>mer gesagt, ich hätte ihn zulange genährt, und ich war doch nur glücklich, so lange in diesem süßenAbhängigkeitsverhältnis mit ihm zu sein… […]. Welches Glück war es für mich, ihm zugeben, ihn unterrichten zu dürfen, zu erleben, wie er sich nach meinem Wunsch und Willenformte, wie die ganze Substanz seines Geistes meine Prägung annahm! […] Ich erlebte anihm das Wunder einer Übertragung meines selbst ins Männliche. […] und fühlte ich ihndenn noch anders als einen Teil von mir selbst? Den besten freilich, den heiligsten Teil, den,der fortleben sollte, wenn ich… Nun aber – eben hier lag mein Irrtum!“ (R. S. 114)Es ist anzunehmen, dass Muriel sich ihren Sohn nach eigenem Vorbild schaffen will.Rainer wirkt äußerlich „wie ein ins Männliche übertragenes Ebenbild von Muriel“ (M. S.710). Auffallend ist vor allem, dass bei der Schilderung des Mutter-Sohn-Verhältnisses

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