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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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107behauptete, dass das <strong>im</strong> Stofflichen ruhende, entwicklungsunfähige Mutterrecht derGegensatz der Epoche des Geistes, des Vaterrechts, gewesen sei, scheint <strong>Ina</strong> Seidel ebendas Entwicklungspotenzial der Mütter und ihre Berufung zu einer geistigen Mütterlichkeitzu betonen:„Vieles mag für die Annahme sprechen, daß die Frauen auf Grund der ihnen von der Naturverliehenen Anlage der Mütterlichkeit die berufensten Hüterinnen des Weltfriedens seinmüßten, wenn sie es nur verstünden, diese Naturanlage zu vergeistigen und die damitverbundene Verantwortlichkeit über die Grenzen der von ihnen geborenen, auf ihre Fürsorgeunmittelbar angewiesenen Nachkommenschaft hinaus auch gegenüber einer unmündigen,der Leitung bedürftigen Menschheit zu empfinden.“ 265Aus dem angeführten Zitat ergibt sich, dass die mütterlichen Frauen best<strong>im</strong>mte Rollen inder Gesellschaft zu erfüllen haben: ähnlich wie bei Bachofen und S<strong>im</strong>mel sind sie <strong>im</strong>besonderen Maße dazu prädestiniert, „Hüterinnen des Weltfriedens“ zu werden. Es istmarkant, dass <strong>Ina</strong> Seidel hier den Konjunktiv benutzt, womit sie die Idee der vergeistigtenMütterlichkeit in den Bereich des Möglich-Erwünschten versetzt. Zugleich räumt sie ihremAppell an die Vergeistigung der Mütterlichkeit nicht den Rang einer unbeirrbarenBehauptung ein, sondern den einer Vermutung. Dadurch gibt sie auch zu bedenken, dassdie herrschende Ordnung nicht die ideale ist. Es ist ein Appell an die Überwindung desbiologischen Determinismus, der laut <strong>Ina</strong> Seidel die Frau in erster Linie zu der Rolle derMutter prädestiniert. Dieser biologisch bedingte Wirkungsbereich der Frau solle das in ihmenthaltene Potenzial zum Wohle der Menschheit ausnutzen: der Trieb muss jedoch durchden Geist überhöht oder subl<strong>im</strong>iert 266 werden.Ein ähnlicher Gedanke findet sich <strong>im</strong> Wunschkind. Um diese Affinität zuveranschaulichen, soll hier der bereits zitierte Abschnitt noch einmal angeführt werden:„Gott hätte der Menschheit als Naturtrieb die Mütterlichkeit gegeben, in der Nächstenliebeund Opfersinn schon vorgebildet seien, freilich nur auf das eigene Blut gerichtet. Christushabe diesen Naturtrieb zur Religion erhoben und ihn durch sein Beispiel, seine Lehre, seinLeben – sein Sterben geheiligt. Niemand, sagte er, sei Christus so nahe, wie eine rechteMutter, wenn sie denn eine Christin sei – nämlich auch eine Mutter <strong>im</strong> Geiste…“ (S. 968)265 Ebd. S. 241.266 Ebd. S. 242.

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