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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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83Natur gestört. Dass die Natur hier mit der Erde konnotiert wird, bestätigt ebenfalls dieAffinität Brigittes zu der Bachofenschen Mutter. Die Zerstörung dieser Gemeinschaft mitder Erde hat zur Folge, dass die Protagonistin aus dem inneren Gleichgewicht gebrachtwird. In diesem Sinne zeigt sich der Verlust der Fruchtbarkeit als der Verlust einer <strong>im</strong>Ursprünglichen liegenden Kraft, dank welcher die Frau wieder zu sich selbst kommenkönnte.Dadurch, dass hier der mütterliche Instinkt als urnatürlichster Trieb dargestelltwird, wird auch auf seine Nähe zum sexuellen Begehren hingewiesen, was vorzugsweisedas Wort „Befriedigung“ suggeriert. Es ist markant, dass eben jene Befriedigung dieSchwangerschaft garantieren würde – diese These, dass die weibliche Sexualität nur durchdie Schwangerschaft ausgelebt werden kann, findet sich auch bei Georg S<strong>im</strong>mel. 231Die Sinnlichkeit Brigittes kann nur durch ihre Mütterlichkeit zum Ausdruckkommen; erst durch diese Erfahrung könnten die sexuellen Begierden gestillt werden. WeilBrigitte nie wieder schwanger sein wird, muss sie das Sexuelle unterdrücken:„Brigitte bewegte <strong>im</strong> Dunklen den Kopf hin und her und versuchte mit verzogenen Lippenzu lächeln. Hatte sie denn gehofft, daß er [Daniel, Brigittes Mann – N. N.] noch zu ihr käme,hatte sie überhaupt <strong>im</strong> entferntesten daran gedacht? Gedacht? – Gedacht wohl nicht, nur…Sie blieb sitzen, die Hände um die angezogenen Knie geschlungen, die Wange draufgelegt,und fühlte die Wärme aus ihrem Körper steigen, fühlte sich selbst, jedes Glied, ihren Leib,zart, glühend vor Leben. Sie blieb sitzen, bis sie fröstelte, absichtlich – nur kalt, recht kaltwerden – und kroch dann unter die Decke wie ein müdes Tierchen in seine Höhle.Schließlich, wenn sie doch kein Kind mehr haben konnte – wozu auch?“ (H. S. 57)Die Art und Weise, wie hier Brigitte dargestellt wird, lässt sie auch als einGeschlechtswesen par excellence wahrnehmen: eine Eigenschaft, die Georg S<strong>im</strong>mel derFrau überhaupt zuspricht. 232 Brigittes verdrängte sexuelle Wünsche kommen jedoch in derMutter-Kind-Beziehung zum Vorschein, die, wie bereits gesagt, erotisch gefärbt ist. AllemAnschein nach gibt Brigitte die Hinwendung zum Kind die Möglichkeit, ihre Sexualität zukanalisieren. In diesem Sinne ist es vielsprechend, dass Brigitte durch ihren Sohn vor einerendgültigen Hingabe an Wilhelm, einem Mann, von welchem sie sich körperlichangezogen fühlt und welcher ihr die Stillung ihrer sexuellen Bedürfnisse ermöglichenwürde, ‘gerettet’ wird. Wolf taucht unerwartet in ihrer Nähe auf, als sie sich mit Wilhelm231 Vgl. das Kapitel zu Georg S<strong>im</strong>mel.232 Vgl. das Kapitel zu G. S<strong>im</strong>mel.

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