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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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112Charlotte – gilt, schwankt Cornelie zwischen fast panischer Angst vor dem Vater undmütterlicher Zärtlichkeit. Zugespitzt wird diese Relation in dem Moment, als der Generalseine beiden Töchter aufgrund einer Verletzung der von ihm aufgestellten Regeln verfluchtund sie öffentlich verstößt. 278 Obwohl der Vater Cornelie mehrmals erniedrigt und aufsPeinlichste verletzt, ist sie ihm <strong>im</strong>mer hörig und unterwürfig, sucht <strong>im</strong>mer nach seinerAkzeptanz. So ist sie nicht <strong>im</strong> Stande, auch wenn es ihr Leid tut, ihren eigenen Sohn nichtmit Prügeln zu bestrafen, weil sie „ihn doch <strong>im</strong>mer mit den Augen ihres Vaters“ (W. S.194) maß. Sie zeigt sich unfähig, sich offen gegen den Vater aufzulehnen 279 , auch wennseine Grausamkeit ihr gleichsam körperliche Furcht einflößt. Ihre ambivalente Haltungdem Vater gegenüber kommt am besten in ihren visionären Träumen zum Ausdruck:„Nur in ihren Träumen, da brach diese Kraft. Da sah sie den Alten zuweilen – und be<strong>im</strong>Erwachen erinnerte sie sich in ratloser Scham, daß sie ihn nackt gesehen hatte – sah ihn mitsonderbar rötlichem Körper in einem feurigen Licht, als stünde er inmitten eigener Glut, sahdas glatte schwarze Haupthaar zurückgebunden in einen strähnigen Schopf und das breite,taterbraune Antlitz verzerrt und gequält. Und überall an ihm glühten die Narben aus denSchlachten, Säbelhiebe und Einschüsse, […]. Dieser Entsetzliche in seiner Kugel höllischerGlut ward plötzlich aus der Schwärze tiefen Schlafes vor sie hingeboren: dann sah sie ihngeballte Hände schütteln, betend oder fluchend, schrecklich aufgerissenen, lautlosschreienden Mundes, und erwachte vom eigenen Schrei […] Zuweilen auch […] lief dieserNackte in einem engen, rechteckigen Raum, der nur von dem Schein des innerlich glühendenKörpers erhellt war, auf und nieder, wie ein Raubtier <strong>im</strong> Käfig, geduckt und schleichend.Und dies war furchtbarer noch. – (W. S. 43)“Der Vater wird hier zu einer grauenerregenden, fratzenhaften Gestalt, die eine gewisseVerwandtschaft mit der christlichen Vorstellung des Teufels aufweist: auf diese Weisewird er zum Inbegriff des Bösen, gegen den Cornelie folglich anzukämpfen hat. DieKonzentration der hier beschworenen Bilder auf den entstellten Körper des Vaters und seinEingesperrtsein in einem dunklen Käfig lassen ebenfalls die christlich gefärbte Deutung zu,dass es eben sein Körper sei, das Fleischliche, das ihn gefangen hält. Von Hass und278 Der Vater verflucht Cornelie, weil sie es nicht vermochte, auf seine jüngere Tochter, Cornelies SchwesterCharlotte Acht zu geben und Charlotte in dem von Franzosen umkreisten Mainz angeblich sich selbstüberließ. Auf diese Weise sei auch Cornelie daran schuld, dass Charlotte einen französischen Leutnantheiratete, ohne die nötige Einwilligung des Vaters eingeholt zu haben.279 Erst in dem Moment, als der alte General von ihr verlangt, dass sie ihm seine Enkelin Delphine in Obhutgibt, widersetzt sich Cornelie dem Vater. Es scheint aber, dass diese Protesthaltung eher aus ihrerÜberzeugung resultiert, dass ihr Kind Christoph mehr als der alte General Delphine braucht. Im weiterenVerlauf der Handlung bemüht sich Cornelie <strong>im</strong>mer wieder darum, sich mit dem Vater zu versöhnen.

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