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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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156Kompensation, nach dem Nachholen eines ursprünglichen menschlichen Bedürfnisses,dessen Erfüllung ihr zu ihren Lebzeiten nicht vergönnt war. Elsabe wurde nämlich „voneiner engherzigen, alternden Frau in einem einsamen, demütigen Hungerleben mitasketischer Strenge großgezogen“ (H. S. 10).Elsabes Wunsch nach einer Wiedergeburt <strong>im</strong> männlichen Körper ergibt sich aus ihrerSehnsucht nach einem starken Körper, den sie selbst als gelähmte und kränkelnde Fraunicht besitzt:„Was bedeutete das alles gegen das eine, unfassbar hohe Glück, seines Körpers mächtig zusein, ihn in jedem Glied, in jedem Gelenk, in jeder Sehne rasch, kräftig und elastisch arbeitenzu fühlen! Ihn warm von Blut, mit atmender, straffer, glatter Haut der ganzen blühenden,lebenden Erde anzuschmiegen und, aufgelöst in ein Getast der Liebe, das Leben zu genießen,durch das Leben? […] und kein Traum war inniger, versenkter, als der von dem jungenMenschen, der halb noch ein Knabe und ewig knabenhaft jung, unbeschwert von bindendemBesitz, in allen Häfen die Erde mit seinem schlanken Fuß zurückstieß, indem er auf einSchiff sprang, das mit tanzenden Flanken und atmenden Segeln bereitlag, unter seiner Handden schaumbedeckten Horizont zu berennen und die morgenroten Küsten zu erobern, die erverbarg.“ (H. S. 18)Die Existenz als Knabe gibt der Frau eine neue Alternative <strong>im</strong> Leben, eröffnet ihr Räume,die ihr bisher verschlossen blieben: als Knabe kann sie sich frei bewegen und muss keineVerpflichtungen eingehen. Die Knabenhaftigkeit des Lebens bedeutet offenbar dieLoslösung von den bisherigen Regeln und das Genießen eines unbegrenztenFreiheitsgefühls. Aber vor allem verspricht sie die Trennung von dem kranken Körper, derdie Frau gefangen hält.Elsabe kann folglich deswegen keine gute Mutter werden, weil sie als Kind diemütterliche Wärme nicht erfahren hat und weil die männliche Seite ihrer Natur dasWeibliche auf gewisse Art und Weise zu verdrängen scheint. Das Männliche an Elsabewird zu einem Störfaktor, der die Entbindung der Frau von ihrer mütterlichen Aufgabeherbeiführt: in diesem Sinne könnte man hier eine Ähnlichkeit dieser These mit denPostulaten Helene Langes und Gertrud Bäumers erblicken, die in denEmanzipationsbestrebungen der ‚Neuen Frau’, vorzugsweise in ihrer äußeren und innerenAngleichung an den Mann, eine Gefahr sahen. Für die Aktivistinnen sollte die Frau

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