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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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226sie erwähnt, dass sie ihn ihrem Vater zu verdanken hat, insbesondere seiner Naturliebe.Merula ist nämlich ein Teil eines lateinischen Vogelnamens und bedeutet soviel wieSchwarzdrossel:„Er [der Vater – N. N.] bleibt stehen […], um einen Vogelnamen zu nennen: Turdus musicusetwa, oder: Turdus merula. Singdrossel, Schwarzdrossel – er liebte sie beide besonders undhatte Manno und mir, als wir ganz klein waren, ihre Namen gegeben. Musicus – das warManno gewesen, aber der wurde nicht mehr genannt, dieser Name; nur Merula, das wargeblieben, das blieb auch.“ (Z. S. 91)Der Name Merula kann als ein sprechender Name betrachtet werden, zumal das hierbeschworene Bild des schwarzen Vogels mit dem Äußeren Merulas übereinst<strong>im</strong>mt: DieProtagonistin ist nämlich dunkelhaarig und spricht mit einer dunklen St<strong>im</strong>me. Die FarbeSchwarz wird auf diese Weise zu einem festen Merkmal der Protagonistin, das auf eineindirekte Weise den Pess<strong>im</strong>ismus der Dichterin <strong>Ina</strong> Seidel in Bezug auf die Stellung derFrau in der männlichen Welt andeutet. In diesem Sinne ließe sich der Titel des Romansdeuten – Der Weg ohne Wahl ist der unausweichliche Weg einer Frau, die nicht wählendarf und kann. Sie darf es nicht, weil sie in der männlichen Ordnung kein Recht aufSelbstbest<strong>im</strong>mung besitzt, und sie kann es nicht, weil sie selbst zu schwach ist, um ausdieser Ordnung auszubrechen. <strong>Ina</strong> Seidel scheint hier indes eine indirekte Botschaft zuvermitteln: Bedenkt man nämlich, dass die Protagonistin dank ihrer Mütterlichkeit,vorzugsweise dank ihrer besonderen Stellung als eine ‘Mutter <strong>im</strong> Geiste’ den männlichenAnsprüchen auf gewisse Weise entgleiten und in Bezug auf ihren Bruder sogar zu derÜberlegenen werden konnte, so scheint dies auf etwas Wichtiges hinzuweisen. Es liegt hierdie Schlussfolgerung nahe, dass die Anlage zur Mütterlichkeit, die zwar als Instinkt <strong>im</strong>Materiellen – <strong>im</strong> Irdischen – wurzelt, der Frau eine besondere Chance bietet, sich innerhalbdieser von Männern beherrschten Welt zu behaupten. Die Prämisse ist jedoch, dass dieseerdbedingte Anlage der Mütterlichkeit eine Vergeistigung erfährt: die Frau solle den ihrvon Natur gegebenen Instinkt entwickeln, weil sie sich dadurch ‘befreien’, der männlichenAllmacht entkommen kann. 424424 In diesem Kontext ist es aufschlussreich, dass sich ein ähnlicher Gedanke in einem der Aufsätze <strong>Ina</strong><strong>Seidels</strong> findet: in Bei den Sibyllen, den Königinnen kommt <strong>Ina</strong> Seidel auf die Omnipotenz des Männlichen zusprechen: „Inmitten einer geistigen Welt, die vom Manne begründet, vom Manne beherrscht und getragenvon großen Männern ist, die, wie nicht anders möglich, sich dem Bewußtsein der Mit- und Nachwelt mitihren ‚Vatersnamen’ einzuprägen pflegen, geschah durch diese Frauen [Karoline von Günderrode, Bettinevon Arn<strong>im</strong>, Annette von Droste-Hülshoff und Ricarda Huch – N. N.] ungewollt die Aufrichtung eines

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