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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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95Zusammenhang nicht, dass Michaelas Ausführungen von dem männlichen Erzähler JürgenBrook für „abwegig“ (M. S. 303) gehalten werden.Es ist interessant, dass <strong>Ina</strong> Seidel den Gedanken von dem weiblichen Ursprungebenfalls in einem ihrer Aufsätze aufwirft. In Goethe und die Frau behauptet sie nämlich,dass Goethe der Inbegriff eines Dichters sei, der durch seine Dichtung zu den mythischenUrsprüngen der Menschheit gelange. Die Dichterin kommt bei der Analyse desGoetheschen Werkes zu folgendem, in diesem Kontext vielsagendem Schluss: „Wenn derEwigkeitsgehalt der weiblichen Seite der Schöpfung jemals ausgedrückt wurde, so ist es<strong>im</strong> zweiten Teil des Faust geschehen.“ 247 Und weiter heißt es:„Was uns in den […] Symbolgestalten der Dichtung [in Faust – N. N.] entgegentritt,angefangen bei Helena und durch das unterweltliche Gew<strong>im</strong>mel des klassischen Spuks, denSphinxen, Sirenen, Lamien, Lemuren, Nymphen, Ameisen, Pygmäen und so weiter,hindurch zu den gigantischen Hüterinnen der Gehe<strong>im</strong>nisse, Manto, Erichtho, Phorkyas,hinab zu den nicht in Erscheinung tretenden, den nur genannten, aber aus dem Erdzentrumden Hörer mit unsagbarem Schauder anhauchenden Müttern, und endlich hinauf zu denverklärten Lichtgestalten des Epilogs – das trägt freilich nicht nur zufällig weiblichenCharakter.“ 248Die Kopplung des Weiblichen an das Mythische und die Darstellung des ganzenSpektrums von weiblichen Gestalten verweisen wiederum auf den Ursprungscharakter desWeiblichen und die Mehrdeutigkeit der weiblichen Natur. Eindeutiger wird diese These ineinem anderen Abschnitt des Aufsatzes formuliert:„Das Ewig-Weibliche, das Faust und [Hervorhebung <strong>im</strong> Original – N. N.] Gretchen, alsosowohl Mann als Weib hinanzieht, es ist ihre eigene von Gott überwältigte unddurchdrungene Natur; denn der Mensch, Mann oder Weib, ist ursprünglich Natur, aber derbiologische Funktionsgegensatz der Geschlechter ist überwunden, sobald außerhalb des vonTod und Geburt beschränkten Wirkungsraumes nach letzter Best<strong>im</strong>mung gefragt wird.“ 249247 <strong>Ina</strong> Seidel: Goethe und die Frau. In: (Dies.): Frau und Wort. Ausgewählte Betrachtungen und Aufsätze.Stuttgart 1965, S. 100-128, hier S. 121.248 Ebd. S. 121.249 Ebd. S. 122f.

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