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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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94Die Bezüge zu Bachofen sind hier evident: Indem Michaela Muriels Mütterlichkeit als einmythisches und ursprüngliches Phänomen charakterisiert und dessen religiöse Bedeutunghervorhebt, spielt sie auf das von dem Schweizer Forscher beschriebene mutterrechtlicheZeitalter an. Ebenfalls lässt ihre Betonung der Prinzipien der Brüderlichkeit undVerantwortlichkeit, die die Gynaikokratie auszeichneten, auf Bachofen schließen. Darüberhinaus wird <strong>im</strong> Text auch darauf hingewiesen, dass Muriels Entscheidung „wie das Wortder Königin in matriarchalischen Zeiten“ (M. S. 621) galt, was die Affinität zu Bachofenbesonders deutlich macht.In Anlehnung an Bachofen und S<strong>im</strong>mel wird Muriel als Große Mutter ebenfalls alsentwicklungsunfähig dargestellt: Muriel ist eine statische Figur, die <strong>im</strong> Laufe der Handlungkeine Entwicklung durchmacht. 246 Eine weitere Bestätigung liefert das folgende Zitat:„Denn wenn die letzten Jahre auch Rainer und sie [Renée] […] fester und unauflöslichermiteinander verbunden hätten als je zuvor, so würde doch für sie beide der Schwerpunktirdischer He<strong>im</strong>at <strong>im</strong>mer bei der Mutter liegen – bei dem Beharrenden, Stetigen, Bleibenden[…].” (M. S. 142)Auf die Rückkopplung des Mütterlichen an das an der Spitze der Dinge stehende Göttlichewird auch symbolisch in der Erzählung Renée und Rainer angespielt, wobei auch diesmaldie Urmutter als ein in sich ruhendes Wesen auftritt. Während der Reise nach Italien siehtsich Renée einige seltsam anmutende Fresken an:„Jener priesterliche Greis <strong>im</strong> Saturnzeichen des Steinbock, - ist es nicht Paladin? Die Fürstinmit dem Knaben <strong>im</strong> Stier, - Muriel mit Rainer? Wer waren die beiden <strong>im</strong> Hause der Waage,Jüngling und Mädchen, gehalten in Blick und Gebärde wie Schlafwandelnde, zur Rechtenund Linken der über dem <strong>im</strong> Gleichgewicht ruhenden Zeichen schwebenden mütterlichenGottesfrau?“ (R. S. 178)Dieses hier evozierte Bild der Mutter als Ursprung allen Lebens steht <strong>im</strong> Kontrast zupatriarchalisch geprägten Glaubensrichtungen, in denen ein Gott, der in den meisten Fällenals männliches Wesen dargestellt wird, als Lebensursprung gilt. So wundert es in diesem246 In der Erzählung wird Muriel als eine geschlossene Figur dargestellt: <strong>im</strong> Laufe der Handlung ändert siesich nicht. Einer Veränderung unterlag dagegen ihre Mütterlichkeit – dieser Wandel erfolgte aber nichtwährend der in der Erzählung unmittelbar geschilderten Zeit.

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