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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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141Von diesem männlichen Teil ihrer Persönlichkeit lässt sich anscheinend Katharina leiten,indem sie sich in der Verkleidung eines Offiziers in die Dienste der künftigen Zarin stellt.Sie lässt das Mütterliche in sich selbst gewissermaßen nicht zur Entfaltung kommen:„Und in der Tat war ihr Herz mehr von der Sehnsucht nach dem Knaben zerrissen, als vomAbschied. Streng gewöhnt, sich um der Aufgabe willen dieser Sehnsucht zu entfalten, erlagsie ihr völlig, wenn sie einmal nachgab. Quälende Sorge um das ferne Kind befiel sie undmußte gewaltsam abgeschüttelt werden.“ (F. S. 79)Indem Daschkoff dem Männlichen in sich selbst erliegt, vergeht sie sich wieder einmal anihrer weiblichen Natur, die ihr ein anderes Handeln vorschreibt, wie schon festgestellt. Indiesem Sinne ist es bemerkenswert, dass für die Aktivistinnen des konservativen Flügelsder Frauenbewegung die Angleichung an das Männliche, mit welchem man es <strong>im</strong> Falle derDaschkoff zu tun hat, eine nicht zu akzeptierende Haltung war, die <strong>im</strong> Widerspruch zuihrem Differenzdenken stand. Statt die herrschende männliche Ordnung durch den Einsatzihrer mütterlichen Kräfte zu verbessern, übern<strong>im</strong>mt die Fürstin die männlicheVerhaltensweise, was nur negative Folgen haben kann. Auf diese Weise scheint hier <strong>Ina</strong>Seidel die Parolen der gemäßigten Feministinnen Helene Lange und Gertrud Bäumer zuwiederholen, die zur Entfaltung des typisch Weiblichen, vorzugsweise des Mütterlichen inder Frau aufriefen und durch die Rückbesinnung auf dieses Mütterliche die Verbesserungder Gesellschaft forderten. 320 In diesem Kontext ist auch nicht zu übersehen, dass dieFürstin Daschkoff selbst auf diese Parole anzuspielen scheint, in dem Moment, als derverbannte Zar auf Befehl der neuen Zarin ermordet wird und die Revolution ihresbisherigen, friedlichen Charakters beraubt wird:„Der Ruhm unserer Revolution war ihre Sanftheit und ihr Friede, Majestät! Was haben wirMütter mit Mord zu tun?“ (F. S. 130).Mit der Gestalt der Fürstin Katharina Daschkoff zeigt folglich <strong>Ina</strong> Seidel die Tragik einerFrau, für welche das Muttersein nicht Selbst- und Endzweck ihrer Existenz ist und die sichauf die Suche nach einer Alternative zu der traditionellen Mutterrolle begibt. In diesemProzess entfernt sie sich <strong>im</strong>mer mehr von ihrer mütterlichen Veranlagung und handelt320 Vgl. das Kapitel zu Helene Lange und Gertrud Bäumer.

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