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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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873.1.1.2 Muriel aus Renée und Rainer und MichaelaDie Lehrerin Muriel ist eine der vier die Handlung tragenden Protagonisten der inden Zwanziger Jahren angesiedelten Erzählung Renée und Rainer (1928); neben ihr lerntman noch ihren Sohn Rainer, dessen künftige Frau Renée und Muriels ehemaligen GattenPaladin kennen. Die Erzählung spielt teils in Berlin, teils in Thüringen und Italien.Muriel ist die Witwe eines baltischen Edelmanns, mit dem sie ein Kind, den SohnRainer, hat. Als Rainers Vater, ein über 10 Jahre jüngerer Mann, in ihr Leben trat, ließ sichMuriel von ihrem ersten Mann, dem großen Gelehrten und Dichter Paladin, dessenSchülerin sie war, scheiden. Diese Ereignisse liegen schon zwanzig Jahre zurück. Paladintaucht aber wieder auf nach einer über zwanzig Jahre dauernden Abwesenheit. Muriel istdie Leiterin eines privaten Landschulhe<strong>im</strong>s in Waldzella 235 (Thüringen), das sie selbst nachdem Ersten Weltkrieg in einem Klostergebäude gegründet hat. In diesem Schulhe<strong>im</strong>verwendet sie eine besondere, von ihr selbst entwickelte Erziehungsmethode, die darinbesteht, das Leben in der Schule möglichst genau dem Leben in einer großen Familieanzugleichen, wo jeder Einzelne seine St<strong>im</strong>me hat und wo die Lehrerin Muriel von ihrenSchülern die Mutter genannt wird: „die Gemeinschaft [wirkte] wie ein großerGeschwisterkreis […], in dem die Älteren leitend und schützend neben den Jüngerenhergingen.“ 236 Zu Muriels Zögling wird auch die Berliner Schauspielerin Renée, ein jungesMädchen, das Muriel an einem Selbstmordversuch gehindert hat und welches als eineallein stehende Frau bisher mit dem Leben nicht zurecht kam.Obwohl Muriels Pädagogik in Bezug auf Renée funktioniert und das Mädchenallmählich das psychische Gleichgewicht wiedergewinnt, erleidet sie eine Niederlage alsErzieherin ihres Sohnes Rainer, der in ein krankhaftes Abhängigkeitsverhältnis zu seinerMutter geraten ist. Erst durch die Beziehung zu Renée gelingt es Rainer, sich aus derAbhängigkeit von Muriel zu befreien und sein Leben richtig zu gestalten. Renée undRainer verlieben sich ineinander; das Ende der Erzählung suggeriert, dass sie zum Ehepaarwerden.235 Es ist bedeutsam, dass Muriel eine Mutter und von Beruf Lehrerin ist. Diese Tatsache lässt an die ThesenHelene Langes und Gertrud Bäumers denken, laut denen der Beruf der Lehrerin dem mütterlichen Wesen derFrau besonders entspreche: eben dank den Müttern und Lehrerinnen könne die Gesellschaft eineVervollkommnung erfahren. Siehe mehr dazu <strong>im</strong> Kapitel zu Lange und Bäumer.236 <strong>Ina</strong> Seidel: Renée und Rainer. Erzählung. Stuttgart / Berlin 1930. Bei Zitaten aus der Erzählung wird <strong>im</strong>laufenden Text die Seitennummer mit der Sigle R in Klammern angegeben.

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