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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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183allmählich ein neuer Geist von dem Mädchen Besitz zu ergreifen schien und ihr Wesen<strong>im</strong>mer freier und sicherer zu machen, ihre Schönheit zu durchstrahlen begann.“ (W. S. 870)Die Kunst des Schauspielens scheint in Delphines Natur zu liegen. Markant ist, dass dievon ihr gespielten Rollen sich auf gewisse Weise ihrer bemächtigen, dass „ein neuer Geistvon dem Mädchen“ Besitz ergreift: sie selbst ist nicht die Best<strong>im</strong>mende, die über ihreRollen herrscht, sondern sie lässt sich von den Rollen best<strong>im</strong>men. Man kann folglichannehmen, dass die Protagonistin das bereits erwähnte leere Gefäß ist, das je nach dergespielten Rolle eine genauere Best<strong>im</strong>mung erfährt.Einen Hinweis darauf, dass es sich <strong>im</strong> Falle Delphines um ein Frauenbild handelt,das man als Projektion der männlichen Wünsche verstehen könnte, liefert dieSchriftstellerin <strong>Ina</strong> Seidel in einem ihrer theoretischen Texte. Dem Aufsatz Goethe und dieFrau kann man nämlich entnehmen, dass die Autorin gegenüber überliefertenWeiblichkeitsvorstellungen kritisch eingestellt war und die Schwächen mancherFrauengestalten in der von Männern verfassten Literatur erblickte. Dies beweist unteranderem ihre Kritik an Schiller, welcher laut Seidel „auf Flaschen gezogene Weiblichkeit[bietet]“, und ihr Lob Goethes, dessen „Frauen ganze Menschen“ 371 seien.Dass Delphine eine Ähnlichkeit mit jener „auf Flaschen gezogene[n] Weiblichkeit“aufweist, lässt den Schluss zu, dass die Autorin <strong>Ina</strong> Seidel mittels dieser Figur eineindirekte Kritik an solchen <strong>Frauenbilder</strong>n übt, die das Wunschdenken des Mannesexemplifizieren. Aus diesem Grunde wird Delphine als eine typisch angelegte, ‚leere‘Frauengestalt vorgeführt und mit den Merkmalen einer femme fatale, also einermännlichen Wunschprojektion, ausgestattet.3.3.2 Künstlerinnen3.3.2.1 Die Malerin Mathilde aus Sterne der He<strong>im</strong>kehrDie Gestalt der Kunstmalerin Mathilde Mackens taucht als Nebengestalt zum erstenMal in dem Roman Das Haus zum Monde (1916) auf. Sie erscheint in dem Haus derFamilie ten Maan, um Wolf, dem jüngsten Sohn Brigittes und Daniels, Zeichenunterrichtzu erteilen.371 <strong>Ina</strong> Seidel: Goethe und die Frau. In: (Dies.): Frau und Wort. Ausgewählte Betrachtungen und Aufsätze.Stuttgart 1965, S. 100-128, hier S. 119.

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