11.07.2015 Aufrufe

Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

212„Da sah Fina den Wanderer zum erstenmal, und sie erkannten einander über Brot und Wein.Und sie löste ihm die Bänder an seinen Schuhen und wusch ihm die Füße. Der Wandereraber sprach bis zum Morgengrauen von den Ländern jenseits der Erde. Und Fina zog mitihm über die Pässe, bis hinauf, wo <strong>im</strong> Fels kein Baum mehr wurzelt, und wo <strong>im</strong> Äther derAdler schreit: Dort blieben sie, und sie diente ihm, und ihr Herz wurde still.“ (I. S. 143)Die angeführte Episode spielt anscheinend auf best<strong>im</strong>mte Ereignisse aus dem NeuenTestament an: die Austeilung von Brot und Wein und die Fußwaschung. Über dieBedeutung dieser Szenen äußert sich Otto Betz wie folgt:„[Jesus] hat die Gabe, die Verteilung von Brot und Wein, metaphorisch für eine andereSache gesetzt, nämlich für Hingabe seines Lebens und für das Anteilgeben an seinemheilbringenden Tod […]. [D]er Gebrauch von Brot und Wein be<strong>im</strong> Mahl [ist] ein Hinweisauf das stellvertretende Sterben des Messias.“ 404Eine ähnliche Funktion hat laut Betz die Fußwaschung, die Anteil an Jesus gebe, der fürdie Seinen in den Tod gehe. 405 Darüber hinaus handele es sich bei der Fußwaschung mehrum die innere als um die äußere Reinheit. 406 In diesem Sinne ist die angeführte Episode ausder Legende der Fina symptomatisch: die Tänzerin muss einen ähnlichen Weg wieChristus gehen, ihr Leben für die Ihren aufopfern.Dabei ist es kennzeichnend, dass sie es ist, die dem Wanderer die Füße wäscht, ihr selbstmüssen die Füße nicht gewaschen werden. Diese Konstellation gibt zu bedenken, dass Finadie innere Reinheit bereits besitzt und keinen weiteren Läuterungsprozess durchmachenmuss. Diese Makellosigkeit ist folglich die bereits erwähnte jungfräuliche Würde Finas;dank ihrer Keuschheit nähert sich die Hirtin Christus. Finas Ähnlichkeit zu Christusmanifestiert sich ebenfalls darin, dass sie gleich Ihm einem Anderen die Füße wäscht –aber auch nach ihrer Rückkehr aus den Bergen wiederholt sie fast wortwörtlich dasVerhalten von Christus: „Fina ruhte mit ihrer Schar in den Olivengärten eines Tals. Undsie saß abseits, und mit einem Weidenstab zeichnete sie die Figuren eines neuen Tanzes404 Vgl.: Otto Betz: Jesus. Der Herr der Kirche. Aufsätze zur biblischen Theologie II. (WissenschaftlicheUntersuchungen zum Neuen Testament 52.) Tübingen 1990. S. 241. Ich benutze hier die digitalisierteVersion dieses Buches, das unter der folgenden Adresse abrufbar ist:http://books.google.de/books?id=5eThsq63ctMC&printsec=frontcover&hl=pl&source=gbs_summary_r405 Vgl.: Otto Betz: Jesus. Der Herr der Kirche. (wie Anm. 418), S. 19.406 Ebd. S. 34

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!