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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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113Rachesucht erfüllt, bewegt er sich gleichsam in einem Teufelskreis, aus dem er nichtauszubrechen vermag. In diesem Sinne ist es vielsagend, dass es eben die MütterlichkeitCornelies ist – also ihre Fähigkeit, sich über diese negativen Gefühle zu erheben – mit dersie dem Vater begegnet:„Cornelie haßte diese Träume […] Dennoch hatte sie etwas durch sie empfangen, was keinTagerlebnis ihr hätte geben können: ein tiefes dumpfes Wissen um den Vater. Ein heißes,hilfloses Mitleid, nie ausgesprochen und vielleicht gar nicht gewußt. Die Möglichkeit, diesentobenden alten Mann <strong>im</strong> Inneren ihres Herzens zu hegen wie ein Kind.“ (W. S. 44)Die Einstellung der Protagonistin zum Vater bleibt konstant: ihre Mütterlichkeit zeigt sich<strong>im</strong>mer stärker als das Gefühl der Verletzung; Cornelie ist ständig bereit, ihrem Vater zuverzeihen und sich seiner mütterlich anzunehmen. Cornelies mütterliche Liebe wird zumSymbol der alles verzeihenden, christlichen Liebe, die stärker als Hass und Langmut istund welche sich als eine Manifestation des Konzeptes der ‚geistigen Mütterlichkeit’definieren ließe. Dabei lässt sich nicht übersehen, dass diese idealistische Stellung demMenschen mehr Handlungsfreiheit gibt: Cornelie muss sich nicht vor ihrem Vaterabkapseln – er ist es selbst, der sich seiner Freiheit beraubt und in einem Käfig ausverletzter Ehre und Hochmut einschließt.Die mütterlich-christliche Haltung, die Cornelie dem Vater gegenüber bezieht, istjedoch keineswegs eine Fähigkeit, die sich zwangsläufig aus ihrem Charakter ergibt.Vielmehr gilt diese besondere Eigenschaft als das Resultat der Arbeit Cornelies an sichselbst 280 , denn die Protagonistin ist sich dessen bewusst, dass sie als Mensch nicht ideal istund dass zuerst ihr Charakter eine Vervollkommnung erfahren muss:„Auch in ihr gab es kein Gefühl, das nicht in Leidenschaft auflodern wollte; auch in ihrwollte Liebe schrankenlosen, unanfechtbaren Besitz des Geliebten, war von Eifersuchtdurchbittert, machte Anspruch auf die Rechte eines Tyrannen. Auch in ihr drängte Zorn zurRaserei. Weil aber das Barbarische in ihr von ihr selbst früh erkannt und mit geduldigerWachsamkeit gezähmt und gesänftigt worden war, weil sie den unterseelischen Kräften niegestattet hatte, andere leiden zu machen und ihren Ausbruch und Rückprall <strong>im</strong>mer <strong>im</strong>Schweigen der eigenen Brust ertragen und verebben lassen hatte, so war ihre Haltung dem280 Auf diese Weise wird Cornelie den Postulaten des konservativen Flügels der Frauenbewegung gerecht,laut denen die innere Vervollkommnung eine Prämisse der Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnissesei. Vgl. das Kapitel zu H. Lange und G. Bäumer.

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