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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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208„Phantastisch waren ihre Gleichheitsgrundsätze insofern, als sie dieselben durchaus nichtallgemein, sondern nur auf eine best<strong>im</strong>mte Menschenschicht angewandt wissen wollte: aufdie Künstler und geistig schöpferisch Arbeitenden nämlich.“ 397 (V. S. 187)Es fällt auf, dass hier Andreas „Gleichheitsgrundsätze“ als „phantastisch“ eingestuftwerden: diese Formulierung lässt sich als eine indirekte Kritik an den Parolen desradikalen Flügels der Frauenbewegung verstehen, der die Egalität und nicht die Differenzder Geschlechter betonte. Die damit zusammenhängende Angleichung der Frauen an dieMänner wurde deswegen von den ‚Konservativen’ scharf angegriffen – Bäumer und Langezufolge solle die Frau vielmehr ihre Eigenart zum Ausdruck bringen und sich nicht zumMann stilisieren. 398 Eine derartige Angleichung an den Mann lässt sich gerade am Beispielder Tänzerin beobachten, die nicht nur äußerlich (durch ihre Kutte und ihren knabenhaftenKörper) ‘männlich’ wirkt, sondern auch ‚männliche’ Verhaltensweisen übern<strong>im</strong>mt:„Niemals […] hatte er [Richard] die unvergleichliche Mischung der zärtlichen Frau und desheroisch gest<strong>im</strong>mten, heldengläubigen Knaben, die sie war, so ineinanderrinnend geschlürft,sie nie so stark als etwas Einzigartiges, ihm durch kaum faßbare Gunst der Götter gesandteBegnadung empfunden.“ (V. S. 193)Obwohl diese ‘männliche’ Frau für Richard Solger eine „Begnadung“ ist, kann man dochnicht übersehen, dass hier von einer „Mischung“ die Rede ist, und nicht von einemharmonischen Ausgleich der Gegensätze. Das ‘Männliche’ in ihrem Wesen wird eher zueinem Störfaktor, der die Frau von ihrer wahren Natur entfernt und sie ‘unharmonisch’wirken lässt. Dass die wahre weibliche Natur <strong>im</strong> Mütterlichen liege, wird auch in dieserErzählung nahe gelegt. Kennzeichnend ist zum Beispiel, dass Richard in AndreasLiebkosungen „etwas wie eine traurige mütterliche Zärtlichkeit […], etwas von dem, wasihn bei ihrem ersten Zusammensein so seltsam beunruhigt hatte” (V. S. 197) empfindet.Darüber hinaus bekennt Andrea am Ende der Erzählung, dass sie eine „Lehre“ nötig gehabthabe (V. S. 238); und was in diesem Kontext vielsagend ist: sie fordert dabei Richard auf,ihr das Foto seiner Töchter zu zeigen, die sie dann gemeinsam anschauen. Obschon das397 Dass Andrea eine Kommunistin ist, erklärt auch ihren Verzicht auf die Familie: <strong>im</strong> KommunistischenManifest sprachen sich Marx und Engels für die Aufhebung der Familie aus, die die freie Liebe ersetzensollte.398 Vgl. das Kapitel zu Lange und Bäumer.

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