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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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238wird in diesem Sinne als „ein so phantasievolles und eigentlich auf einem anderen Sternbehe<strong>im</strong>atetes Geschöpf“ (M. S. 295) charakterisiert; hervorgehoben wird ihreRealitätsabgewandtheit:„Michaela, so sehr sie sich <strong>im</strong>mer wieder bemühte, gegenwärtigen Boden unter die Füße zubekommen, erwachte, […] erst dann ganz zum Gefühl erfüllten Lebens, wenn sie sichungestört archäologischen und religionsgeschichtlichen Studien und ihren eigenenwunderlichen Spekulationen hingeben konnte […].” (M. S. 495)Dem Zitat kann man entnehmen, dass die Figur die Selbstverwirklichung erst in dergeistigen Arbeit finden kann, wobei die Hinwendung zum Geistigen allmählichesAbgleiten vom Irdischen, von der Realität, bewirkt.In diesem Kontext verdient Beachtung, dass zu einem festen Merkmal des äußerenErscheinungsbildes der Protagonistin die blaue Farbe wird, die leitmotivisch den ganzenRoman durchzieht. Bedenkt man, dass die Farbe Blau <strong>im</strong> Allgemeinen auch für denH<strong>im</strong>mel, die Sehnsucht, die Ferne 441 – also <strong>im</strong> breiten Sinne für das Geistige – steht, soliegt hier die Vermutung nahe, dass sie <strong>im</strong> Text Michaelas ‘ätherischen’ Zustandsuggerieren soll: Als „blaues Gewölk, <strong>im</strong> Entschweben begriffen“ (M. S. 244) wird sievon einem der Helden beschrieben, sie hat auch „merkwürdige blaugraue Augen…“ (M. S.305). Als sie in blaugrauer Seide in der Nähe des Erzählers erscheint, empfindet er sie wieein „Gestirn“:„[…] es kam über mich die Ruhe einer Entrückung wie be<strong>im</strong> Betrachten eines Gestirns. Ichhabe ähnliches mehr als einmal erlebt, wahrscheinlich hielt es nie länger an als für die Dauerweniger Atemzüge […].“ (M. S. 573)Nichts desto weniger legt es Michaela selbst nahe, dass das Blaue die spirituelle Existenzversinnbildlichen kann:„Kennen Sie das auch, Brook – dieses sich oft mitten <strong>im</strong> Wirbel von Ereignissen undVeränderungen einstellende Gefühl entrückter Ruhe, als sei aller Wandel nur Täuschung?Die Vorstellung, daß wir selbst fern, fern <strong>im</strong> Blauen über unserem <strong>im</strong> Körper verhafteten Ich441 Der Dichter Novalis spielte für <strong>Ina</strong> Seidel eine besondere Rolle (Vgl. Das Kapitel Leben und Werk).Deswegen könnte man die blaue ‘Beschaffenheit‘ Michaelas mit der „blauen Blume“ der Romantik inVerbindung bringen, was um so deutlicher die Realitätsentrücktheit der Heldin betonen könnte.

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