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Frauenbilder im Prosawerk Ina Seidels

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232„Und wenn sie einst geglaubt hatte, Liebe sei nichts wert, wenn man sie dem anderen nichtzeigen könnte, so fand sie jetzt den wehmütigen Glauben, daß es genug sei, nur voneinanderzu wissen, wenn man sich liebhätte, und daß dies Wissen und Gedenken mehr sei alsgegenseitiger Besitz. So dachte sie auch an Fridolin, als an ihren lieben Bruder, ihr eigen vonAnbeginn in Ewigkeit, den sie wiedergefunden und wieder verloren hatte – vielleicht umjenes dunklen Abends willen [als das Gewitter losbrach – N. N.]“ (D. S. 52)Das Gefühl Melittas zu ihrem Geliebten verwandelt sich folglich in ein platonischesGefühl, das eindeutig höher bewertet wird als die körperliche Liebe – Melitta sieht das einund von diesem Moment an gewinnt ihre Existenz an Wert.Dabei ist nicht zu übersehen, dass die Autorin <strong>Ina</strong> Seidel das ‚Versagen’ derWeberin auf zweifache Weise zu erklären versucht. Zum einen sieht sie den Grund für ihrmoralisch nicht richtiges Verhalten in der Realitätsentrücktheit der Protagonistin: Melittalebt nämlich „abseits der Welt“ (D. S. 10). „Ihr Herz war voller Bitterkeit gegen das, wassich ‚die Welt’ nennt, und hatte nichts als Gleichgültigkeit für alle Vorschriften derGesellschaft.“ (D. S. 11) Dank dem Erlebten kann die Protagonistin dem grauen Alltagentfliehen: Die Begegnungen <strong>im</strong> dem Rosengarten erlebt sie wie <strong>im</strong> Traum, es ist einZustand ungestörten Glückes: „Vergessen der Tod und alles Leid des Einsamwerdens,ausgelöscht die Erinnerung an unendliche, dunkle Arbeitsstunden, an Mühsal undVerzweiflung und trostlose Müdigkeit.“ (D. S. 35).Zum anderen ist es bedeutend, dass sich in der Gestalt der Weberin best<strong>im</strong>mte‚unerwünschte’ Züge bemerkbar machen, die sie in die Nähe der anderen <strong>Seidels</strong>chenFrauen rücken, welche allein stehend in einer Großstadt leben. Zu ihrem prägendenMerkmal wird ihre He<strong>im</strong>atlosigkeit, die fehlende Verwurzelung in der mütterlichen Erde:„In allem, was sie taten, der alte Mann und der Knabe, lag neben einer gewissen Grandezzaso viel Achtung vor der Frau, daß es dem he<strong>im</strong>atlosen, verwehten [die Hervorhebung kommtvon mir – N. N] Geschöpf unendlich wohltat.“ (D. S. 32)Darüber hinaus empfindet Melitta das „hoffnungslose Verlangen in die Ferne“ (D. S. 8) –gleich der Tänzerin Tatjana aus Sterne der He<strong>im</strong>kehr und der Kabaretttänzerin Andrea ausDer vergrabene Schatz ist sie nirgends behe<strong>im</strong>atet, ihr Wesen scheint von der Leichtigkeiteiner Tänzerin zu sein. Und in die Nähe der gleichnamigen Melitta aus Spuk in desWassermanns Haus stellt die Weberin Melitta ihre Verwandtschaft mit der Pflanzenwelt:

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