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machen uns nicht die mindeste Illusion über den offenen Kriegszustand, in<br />

dem wir mit unseren Gegnern stehen, oder über die Mittel, durch die unsere<br />

Partei allein zur Herrschaft gelangen kann. Wir werden uns nicht so sehr<br />

blamieren, der jetzt herrschenden Tripelallianz von Junkern, Bürokraten und<br />

Bourgeois moralische Vorwürfe darüber zu machen, daß sie uns auf jede<br />

Weise zu knechten sucht. Wäre der hochmoralische Predigerton, das Heulerpathos<br />

[226] der sittlichen Entrüstung uns nicht schon von vornherein zuwider,<br />

wir würden schon deshalb uns vor einer solchen hohlen Phrasenpolemik hüten,<br />

weil wir an unseren Gegnern noch einmal Revanche zu nehmen gedenken.<br />

Das aber finden wir sonderbar, daß die Herren, die jetzt an der Regierung<br />

und in der offiziellen Majorität sind, nicht ebenso offen sprechen wie wir.<br />

Herr Riedel z. B. ist ein so echter Uckermärker, wie man ihn nur wünschen<br />

kann, und doch kann er sich nicht überwinden, schließlich zu beteuern:<br />

„Es ist gewiß nimmermehr meine Absicht, der freien Meinungsäußerung irgend-<br />

einen Riegel vorschieben zu wollen. Ich betrachte den geistigen Kampf ... um die<br />

Wahrheit als ein Heiligtum freier Völker, das niemand antasten darf."<br />

Und an einer andern Stelle will Herr Riedel<br />

„die Verbreitung der Plakate unter denjenigen Formen freilassen, unter denen über-<br />

haupt literarische Produkte verbreitet werden können".<br />

Was sollen, nach allen vorhergegangenen Explikationen, diese Phrasen<br />

noch bedeuten? Die bestehende Regierung und überhaupt die konstitutionelle<br />

Monarchie kann sich heutzutage in zivilisierten Ländern nicht halten,<br />

wenn die Presse frei ist. Die Freiheit der Presse, die freie Konkurrenz der<br />

Meinungen, das ist die Freilassung des Klassenkampfes auf dem Gebiete der<br />

Presse. Und die vielersehnte Ordnung, das ist eben die Erstickung des<br />

Klassenkampfs, die Knebelung der unterdrückten Klassen. Daher muß die<br />

Partei der Ruhe und jOrdnung die freie Konkurrenz der Meinungen in der<br />

Presse aufheben, sie muß sich durch Preßgesetze, Verbote usw. das Monopol<br />

des Marktes möglichst sichern, sie muß namentlich die Gratis-Literatur der<br />

Plakate und unbezahlten Flugschriften womöglich direkt unterdrücken.<br />

Alles das wissen die Herren, warum sagen sie's nicht geradeheraus?<br />

In der Tat, Herr Riedel,'warum tragen Sie nicht lieber sogleich auf Wiederherstellung<br />

der Zensur an? Es gibt kein besseres Mittel, „Leidenschaften"<br />

zurückzudrängen, „die unreine Glut des Hasses und der Rache gegen die<br />

Obrigkeit" zu ersticken und die „Grenzen gesetzlicher Freiheit" sicherzustellen!<br />

Voyons, citoyen Riedel, soyons francs! 1 Es kommt am Ende doch<br />

darauf hinaus!<br />

1 Nun, Bürger Riedel, seien wir doch ehrlich!

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