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Das altpreußische Landrecht belegte, wie bemerkt, die Beleidigung des<br />

„Staatsoberhauptes selbst" nur mit zwei Jahren. Der Fortschritt des Preßgesetzentwurfs,<br />

welcher auf Beleidigung der untergeordneten Personen, der<br />

Königin fünfjährige, des Thronfolgers (?) und „anderer" Mitglieder des<br />

„Königlichen Hauses" dreijährige Einsperrung setzt, liegt auf der Hand.<br />

Das rheinische Gesetz kennt sowenig eine Beleidigung der „Königin" usw.,<br />

wie es eine Beleidigung des „Staatsoberhauptes selbst" kennt. Rheinische<br />

Zeitungen konnten bisher ungestraft von „Hoffnungen des Hofes auf ein<br />

unerwartetes Ereignis" fabeln, was zuweilen aus medizinischen Gründen<br />

gleichwohl eine Verletzung der Ehre sein kann.<br />

Der expatentierte Strafgesetzentwurf der Vereinigten Ausschüsse endlich<br />

ordnete die Beleidigung der „Königin" der Beleidigung des „Staatsoberhauptes"<br />

unter, indem er dieselbe (§ 103) statt mit fünfjähriger, mit dreijähriger<br />

Einsperrung bedrohte. Und über die gleichmäßige Bestrafung der Beleidigungen<br />

der „Königin" mit denen der andern Mitglieder der Königlichen<br />

Familie erklären die Motive von 1847, daß bereits die rheinischen, schlesischen,<br />

sächsischen und pommerschen Stände zwischen diesen Personen einen<br />

Unterschied gemacht wissen wollten, welcher traurigen „Kasuistik" aber die<br />

Regierung keine Folge geben könne.<br />

Das starke Ministerium Manteuffel hat die „Kasuistik" der alten rheinischen,<br />

schlesischen, sächsischen Stände nicht unter seiner Würde befunden.<br />

Hat nicht auch der seidenspinnende v. d. Heydt zu den Patent-Kasuisten jener<br />

Zeit gehört? Der Preßgesetzentwurf Manteuffel-v.d.Heydt „konstituiert" die<br />

kasuistische Unterscheidung zwischen der Königin und andern Mitgliedern<br />

des k[öni]gl[ichen] Hauses; er konstituiert sie gemäß der fortschreitenden<br />

Entwickelung der allgemeinen nachmärzlichen MajestätsWürdengefühle. Die<br />

alten rheinischen, schlesischen, pommerschen Stände verlangten eine Unterscheidung<br />

der Königin von den andern Familiensippen, damit der gleichmäßige<br />

Strafsatz von dreijähriger Einsperrung für die Beleidigung der<br />

letzteren gemildert werde; das starke Ministerium Manteuffel-v.d.Heydt akzeptiert<br />

die Unterscheidung, um statt dessen den Strafsatz für die beleidigte<br />

Königin auf die neu erhöhte Stufe der Beleidigung des „Staatsoberhauptes"<br />

zu erheben.<br />

Von gleicher Entwicklungsfähigkeit der Majestätsbegriffe zeugt die beigefügte<br />

Bestimmung desselben Paragraphen, wonach Beleidigungen eines beliebigen<br />

„deutschenStaatsoberhauptes" wie die Beleidigung des „Thronfolgers"<br />

mit dreijährigem Gefängnis bestraft werden.<br />

Nach dem rheinischen Gesetz werden Beleidigungen gegen dritte „Staatsoberhäupter"<br />

gleich Injurien gegen Privatpersonen (Geldbuße von 5 Fr.)<br />

24 Marx/Engels, Werke, Bd. 6

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