06.07.2013 Aufrufe

Seite 351

Seite 351

Seite 351

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Standrechtscharte, sondern auf Grund des allgemeinen Stimmrechts. Was<br />

antwortet Herr Bodelschwingh?<br />

„Wenn wir unsern Sitz aus dem allgemeinen Wahlrecht ableiten, so bedarf es all der<br />

Formalitäten" (der Wahlprüfung) „nicht. Wir brauchen nur auf den Markt zu treten und<br />

zu sagen: Wählt mich! Ich weiß nicht, wieviel Partikelchen des allgemeinen Wahlrechts<br />

Sie für erforderlich halten, um den Eintritt in dies Haus zu beanspruchen. Nehmen Sie,<br />

soviel Sie wollen, genugsam Stimmen würden sich auf diese Weise leicht auftreiben<br />

lassen; es würde sich mit Anerkennung dieses Rechtes der Raum dieses Hauses bald so<br />

füllen, daß unseres Bleibens nicht mehr wäre; meinerseits würde ich wenigstens meinen<br />

Sitz je eher, je lieber aufgeben."<br />

Wenn ein westfälischer Bauer oder wenn Herr v. Bodelschwingh zu der<br />

Zeit, wo er noch Minister war, diesen Tiefsinn über das allgemeine Stimmrecht<br />

zutage gefördert hätte, so würde uns das nicht wundern. In diesem<br />

Sinn hat obige Stelle das Interessante, daß sie beweist, wie man preußischer<br />

Premier sein und die ganze examinierte Bürokratie dirigieren konnte, ohne von<br />

den allernächsten Fragen von europäischem Interesse „auch nur eine Ahnung<br />

zu haben". Aber daß man, nachdem in Frankreich das allgemeine Stimmrecht<br />

zweimal fungiert hat, nachdem das, was die Linke allgemeines Stimmrecht<br />

nennt, in Preußen zweimal fungiert und sogar dem Herrn Bodelschwingh<br />

selbst seinen Sitz in der Kammer oktroyiert hat -, daß man da noch in so fabelhaften<br />

Phantasien über das allgemeine Stimmrecht sich ergehen kann, dazu<br />

muß man antediluvianischer preußischer Minister gewesen sein! Doch vergessen<br />

wir nicht, Herr Bodelschwingh war begraben und ist erst wieder auferstanden,<br />

um „auf Befehl Sr.Majestät" in die Kammer zu treten!<br />

Nachher heißt es:<br />

„Wenn wir auch keineswegs der Ansicht sind, daß diese Verfassung erst durch die<br />

Revision ihre Geltung erhalte, so vertrauen wir doch vollkommen, daß die Krone<br />

den Wünschen (!) ... der Kammern ... ihre Sanktion nicht entziehen wird ... mit dem<br />

Bewußtsein, daß wir mit der Regierung nicht zu mäkeln und zu rechten brauchen, als<br />

ständen wir Feinden gegenüber, sondern mit der Überzeugung, daß wir der Krone<br />

gegenüberstehn, welche wie wir nur das Wohl des Vaterlandes im Auge hat ... in guten<br />

und bösen Tagen fest zusammenhalten mit unsern Fürsten ... Grundlagen der Gottesfurcht,<br />

der Achtung vor dem Gesetz^des Gemeinsinns usw."<br />

Herr Bodelschwingh glaubte noch im Vereinigten Landtag zu sprechen.<br />

Er steht vor wie nach auf dem Boden des Vertrauens. Aber der Mann hat ja<br />

recht! Das von der Linken sogenannte allgemeine Stimmrecht hat ja vermittelst<br />

Selbständigkeitsparagraphen, indirekter Wahl und Manteuffelschen<br />

Manövern eine Kammer zustande gebracht, die sich gar nicht zu schämen<br />

brauchte, „Hoher Vereinigter Landtag" angeredet zu werden.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!