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ist, die Milderung der Strafe in Verbannung vorschreibt. Und dazu, glaubte<br />

man, werde sich schon eine Jury bereitfinden lassen.<br />

Um also Lassalle loszuwerden, erfand das öffentliche Ministerium ein<br />

unmögliches Verbrechen, verkoppelte es zwei Gesetzstellen, die in der Verkoppelung<br />

keinen andern Sinn haben, als reinen Unsinn.<br />

Also: Entweder ist Lassalle schuldig, den Art. 87 verletzt zu haben, und<br />

dann habe man den Mut, ihn direkt zum Tode zu verurteilen; oder er ist nicht<br />

schuldig, den Art. 87 verletzt zu haben, und dann hat er auch den Art. 102<br />

nicht verletzt und muß unbedingt freigesprochen werden. Aber den Art. 87<br />

in der angezogenen Stelle und den Art. 102 zu gleicher Zeit zu verletzen, ist<br />

eine Unmöglichkeit.<br />

Man merke auf die Schlauheit des öffentlichen Ministeriums. Die Anklage<br />

gegen Lassalle fällt eigentlich unter den Art. 87 (Todesstrafe). Darauf ihn anzuklagen,<br />

wagt man nicht: man klagt ihn auf Art. 87 in Verbindung mit<br />

Art. 102 an (Verbannung); und wenn das nicht hilft, wenn die Geschwornen<br />

ihn freisprechen, so stellt man ihn vor das Zuchtpolizeigericht und schiebt die<br />

Artikel 209 und 217 (sechs Tage bis ein Jahr Gefängnis) vor. Und alles das für<br />

ein und dasselbe Faktum, für seine Tätigkeit als Agitator während der Steuer-<br />

Verweigerungs-Bewegung !<br />

Sehen wir uns jetzt das eigentliche Corpus delicti, die Neußer Rede vom<br />

21 .Nov. einmal an.<br />

Lassalle ist angeklagt, zur Bewaffnung gegen die kgl. Macht direkt aufgefordert<br />

zu haben.<br />

Nach den drei Zeugenaussagen, auf die der Anklageakt sich beruft, hat<br />

Lassalle allerdings die Neußer sehr direkt aufgefordert, sich zu bewaffnen,<br />

Munition zu beschaffen, mit Waffengewalt die errungenen Freiheiten zu<br />

wahren, die Nationalversammlung durch aktives Handeln zu unterstützen<br />

usw. Nun ist die Aufforderung zur Bewaffnung überhaupt keineswegs ein Vergehen<br />

oder gar ein Verbrechen, am allerwenigsten seit der Revolution und<br />

dem Gesetz vom 6. April 1848 [91], das jedem Preußen das Recht garantiert,<br />

Waffen zu tragen. Die Aufforderung zur Bewaffnung wird erst strafbar nach<br />

dem Code, wenn die Bewaffnung gegen einzelne Beamte (Rebellion) oder<br />

gegen die königl. Macht, resp. gegen einen andern Teil der Bürger sich richtet<br />

(Aufruhr). Hier ist es speziell die Aufforderung und zwar die direkte Aufforderung<br />

zur Bewaffnung gegen die königl. Macht.<br />

In allen drei Zeugenaussagen steht aber ^em Wort von Bewaffnung gegen<br />

die königl. Macht; es ist bloß von Bewaffnung zum Schutze der Nationalversammlung<br />

die Rede. Und die Nationalversammlung war ein gesetzlich<br />

berufenes, gesetzlich bestehendes Organ, ein wesentlicher Teil der gesetz-

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