Zulassungs- und Vertragsrecht der Heil- und Hilfsmittellieferanten im ...

Seite 222
tenerstattung durch den inländischen Krankenversicherungsträgern in
Betracht kommen. 645
Begibt sich ein Versicherter bewusst zur Krankenbehandlung ins Ausland,
regelte § 18 SGB V a.F. generell, dass eine Leistungspflicht des
deutschen Krankenversicherers nur dann möglich ist, wenn es sich um
eine den medizinischen Anforderungen entsprechende Behandlung
handelt und die Behandlung nur im Ausland möglich ist. Eine solche
Behandlung konnte nach dem pflichtgemäßen Ermessen der inländischen
Krankenversicherung genehmigt werden. 646
Durch die Rechtsprechung des EuGH wurde diese nationale Begrenzungsregelung
in Ansehung der europäischen Grundfreiheiten unter
Anwendung der Kostenerstattung erweitert. 647 In den Urteilen Decker
und Kohll 648 hat der EuGH entschieden, unter welchen Voraussetzungen
Krankenkassen die Kosten für Waren- und Dienstleistungen, die
der Versicherte im Ausland erworben hat, verweigern kann. Dabei sind
die Gefährdung der Finanzierung des Sozialversicherungssystems 649
oder besondere nationale Qualitätsstandards 650 Aspekte, die die Ein-
645 Das BSG (Urteil vom 09.10.2001, veröffentlicht in NZS 2002, Seite 480 f) knüpft für einen Kostenerstattungsanspruch
bei Auslandsbehandlung nicht an § 13 Abs. 3 SGB V an, sondern an § 18 Abs. 1
Satz 1 SGB V, da dies die speziellere Regelung für eine solche Kostenerstattung sei. Dort sei eine
Auslegung der Vorschrift im Lichte der durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten, insbesondere
der Dienstleistungsfreiheit, vorzunehmen, was im Einzelfall zu einer Kostenerstattungsverpflichtung,
über den Wortlaut der Vorschrift in § 18 SGB V hinaus, führen könne.
646 Nach Art. 22 Abs. 1 Ziff. c und Abs. 2 VO (EWG) 1408/71 darf eine Genehmigung für eine Auslandsbehandlung
dann nicht verweigert werden, wenn die Leistungserbringung im Leistungskatalog
des inländischen Krankenversicherungsträgers vorhanden ist und der Versicherte die Leistung im
Inland aber nicht zeitnah erhalten kann; zur Neuregelung des § 13 SGB V vgl. Fußnote 672.
647 Zu den methodischen Mängeln der EuGH-Rechtsprechung: Hailbronner, Seite 2185 ff.; zu den
Regelungen des Binnenmarktes im Vertrag über eine Verfassung für Europa vom 29.10.2004, Artikel
III-130 ff (http://www.eu-verfassung.org/EU-Verfassung.pdf)
648 Urteile vom 28.04.1998, RS C-120/95 und RS C-158/96; vgl. auch Becker, Seite 359 ff.; von Maydell,
Seite 3 ff.; Eichenhofer, VSSR 1999, Seite 101 ff.; Kötter, Seite 233 ff.
649 Dieser Aspekt wird vom EuGH neben den Gründen des Gesundheitsschutzes i.S.v. Art. 46 EGV
als „zwingende Gründe des Allgemeinwohls“ ebenfalls als Rechtfertigungsgrund für eine Beschränkung
der Waren- und Dienstleistungsfreiheit anerkannt (EuGH vom 16.01.1979, Az.: Rs 120/78 (Cassis
de Dijon) und EuGH vom 15.07.1991, Az. RS C-76/90 (Säger)); Schulz-Weidner, Seite 59 ff.
650 So z.B. auch die Aufrechterhaltung eines allen zugänglichen Krankenhaussystems verbunden mit
einem Genehmigungsvorbehalt für Auslandsbehandlung (Urteile vom 12.07.2001, Az.: C-157/99
(Smits/Peerbooms) und C-368/98 (Vanbraekel)) oder die ressourcensteuernde Intention des deutschen
Leistungserbringerrechts: vgl. Heberlein, Seite 775; Anmerkung Kötter in ZESAR 2003, Seite
173 ff.