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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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94entflammt trat ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong> verrufenes Haus, ohne an das Evangeliumzu denken, das ich bei mir trug. Aber als mich die Dirne erblickte,rief sie: „Geh h<strong>in</strong>aus, Greis, denn der Engel <strong>des</strong> Herrnist mit dir! Berühre mich nicht, tritt hier nicht e<strong>in</strong>, denn ichsehe, daß Gott an dir W<strong>und</strong>er tut." Da wurde ich bestürzt, alsich die Dirne so reden hörte; denn ich er<strong>in</strong>nerte mich, daß ichdas Evangelium bei mir trug. Nun möge, heiliger Apostel, de<strong>in</strong>Gebet für mich Gnade erflehen bei dem Herrn." Als der heiligeAndreas dies vernahm, begann er zu we<strong>in</strong>en, <strong>und</strong> er betete aufse<strong>in</strong>en Knien von der dritten bis zur neunten St<strong>und</strong>e. Dannstand er auf <strong>und</strong> sprach: „Ich will nicht essen, bis ich weiß,daß sich der Herr dieses Greises erbarmt." Und als er langegefastet hatte, kam e<strong>in</strong> Engel zu Andreas <strong>und</strong> sprach: „Du hasterreicht, was du für diesen Mann erfleht hast. Doch so wie dudich durch Fasten gequält hast, so soll er sich selbst durchFasten abtöten, <strong>und</strong> er ist gerettet." Und so fastete der Greissechs Monate lang bei Wasser <strong>und</strong> Brot, <strong>und</strong> dann führte ere<strong>in</strong> Leben voll guter Werke <strong>und</strong> verschied <strong>in</strong> Frieden. Die Stimme<strong>des</strong> Greises aber rief dem Heiligen vom Himmel zu: „Durch de<strong>in</strong>Gebet hab ich die Gnade, die ich verloren hatte, wiedererlangt."81.Von e<strong>in</strong>em Geistlichen der mit e<strong>in</strong>er Dirne lebte.E<strong>in</strong>st lebte e<strong>in</strong> Pfarrer, der Albertus hieß. Dieser war sehrweltlich ges<strong>in</strong>nt, <strong>und</strong> so wollte er nicht mehr Albertus heißen,sondern nannte sich Konradus. Er lebte aber mit e<strong>in</strong>er Dirnezusammen, gleich als wenn er mit ihr verheiratet wäre. Um ihnaus diesem Sündenschmutz zu führen, schickte ihm der barmherzigeGott e<strong>in</strong>e schwere Krankheit. Alsbald entließ der Geistliche dieDirne, beichtete <strong>und</strong> führte e<strong>in</strong> re<strong>in</strong>es Leben. Allmählich wurdeer ges<strong>und</strong>, aber wenn er vorher reich gewesen war, so verarmteer jetzt, <strong>und</strong> der Teufel gab ihm den Gedanken e<strong>in</strong>, das sei <strong>des</strong>wegen,weil er die Dirne entlassen hätte, die sehr haushälterischdie Wirtschaft geführt hätte. Und so nahm er sie wieder zu sich,<strong>und</strong> der Wohlstand kehrte zurück. Doch der Herr schlug ihnvon neuem mit Krankheit, <strong>und</strong> wieder entließ er die Dirne <strong>und</strong>verarmte wie vorher; aber wieder brach er se<strong>in</strong> Gelübde, sich zu

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