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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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19e<strong>in</strong> schöneres Lied.*' Der Unglückliche aber spricht: „Was soll ichs<strong>in</strong>gen? Verflucht sei me<strong>in</strong>e Mutter dafür, daß sie mich gebar!das ist me<strong>in</strong> Gesang." Luzifer jedoch ruft wiederum: „S<strong>in</strong>g nunnoch e<strong>in</strong> schöneres Lied." Darauf spricht der Elende: „Was sollich s<strong>in</strong>gen? Gott selbst, der mich geschaffen <strong>und</strong> gebildet hat,auch er sei verflucht! das ist me<strong>in</strong> Lied." Da ruft Luzifer: „Daseben wollte ich hören. Schleppt ihn auf den Thron, den er verdienthat." Da führten sie ihn zu e<strong>in</strong>em Brunnen <strong>und</strong> stürztenihn h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, <strong>und</strong> dabei erhob sich e<strong>in</strong> solches Getöse, als ob dieganze Erde zusammenstürzte. Bei diesem Getöse wacht derKämmerer auf <strong>und</strong> eilt <strong>in</strong> das Gemach se<strong>in</strong>es Herrn. Dort f<strong>in</strong>deter ihn tot. Der Kämmerer aber erzählte allen genau, was er imTraume gesehen hatte, <strong>und</strong> trat dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Orden e<strong>in</strong>.3.Von der heiligenEufemia.Man liest <strong>in</strong> den Chroniken der Römer von e<strong>in</strong>er edlen Jungfrau,die Eufemia hieß. Diese hatte <strong>in</strong> den Jahren ihrer K<strong>in</strong>dheit demHerrn gelobt, als re<strong>in</strong>e Jungfrau leben zu wollen, <strong>und</strong> sie hieltihr Gelübde, <strong>in</strong>dem sie vor Gott <strong>und</strong> den Menschen e<strong>in</strong> fleckenlosesDase<strong>in</strong> führte. Ihr Vater aber war e<strong>in</strong> ganz weltlich ges<strong>in</strong>nterMann. Als dieser sah, daß sie e<strong>in</strong>e schöne Jungfrau gewordenwar, verlobte er sie ganz gegen ihren Willen mit e<strong>in</strong>emGrafen. Die Jungfrau aber eilte voll <strong>des</strong> heiligen Geistes <strong>in</strong> e<strong>in</strong>eKapelle <strong>und</strong> warf sich auf die Erde nieder <strong>und</strong> flehte zur König<strong>in</strong>der Barmherzigkeit,daß sie ihr das Gelübde der Keuschheit wahrenhelfe. Und da sie sich überlegte, daß sie um ihrer Schönheitwillen die jungfräuliche Re<strong>in</strong>heit verlieren sollte, ergriff sie e<strong>in</strong>Messer, <strong>und</strong> mit den Worten: „Du nichtige Schönheit, von nun ansollst du für mich ke<strong>in</strong>e Gefahr <strong>und</strong> Gelegenheit zur Sünde mehrse<strong>in</strong>!" schnitt sich die Nase <strong>und</strong> die Lippen ab. Als das ihrhartherziger Vater hörte, rief er e<strong>in</strong>en rohen Bauern <strong>und</strong> übergabihm se<strong>in</strong>e Tochter, damit er sie <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Bauernhofe als Magdarbeiten lasse; <strong>und</strong> er drohte ihm sogar mit se<strong>in</strong>em Zorne, wenner sie bei der Arbeit schone. Der Bauer aber kannte ke<strong>in</strong> Mitleid<strong>und</strong> quälte die edle Jungfrau mit maßlosen Arbeiten <strong>und</strong> Anstrengungen.Sie jedoch ertrug alles <strong>und</strong> dankte Gott für die2*

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